Standpunkt
Bei Übergängen nicht querschießen
In der Sozialenzyklika »Laborem exercens« legt Papst Johannes Paul II. unmissverständlich dar, dass die gerechte Entlohnung der geleisteten Arbeit Dreh- und Angelpunkt der Sozialethik und damit Prüfstein für die Gerechtigkeit des gesamten sozio-ökonomischen Systems sei. Mit Hinweis auf diese päpstlichen Aussagen wendete sich Anfang Mai die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (BAG-MAV) an die Generalvikare. In ihrem Schreiben bat die BAGMAV darum, auf die Träger katholischer Kindertageseinrichtungen einzuwirken, damit diese keine Kinder aus bestreikten kommunalen Kindertageseinrichtungen vorübergehend betreuen.
Dieses Schreiben kam genau zur richtigen Zeit. Denn kaum war der Kita-Streik angekündigt, erreichten uns innerhalb des KTK-Bundesverbands erste Hinweise darauf, dass man sich mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen in den kommunalen Kitas solidarisch erklären wolle. Und zwar auf eine mit Verlaub gesagt doch recht fragwürdige Weise. Geplant sei, Kinder aus bestreikten Kitas aufzunehmen, um »das Anliegen der pädagogischen Fachkräfte aus nicht-kirchlichen Einrichtungen zu unterstützen«. Seitens der Presse gingen in der Geschäftsstelle Anfragen ein, die genau darauf abgestellt waren: »Werden katholische Kitas in diesem Sinne als Streikbrecher auftreten?«, so die Anfragen aus den Medien. Inwieweit dies tatsächlich passierte, wissen wir nicht genau. Recherchen weisen aber darauf hin, dass dies, wenn überhaupt, nur in absoluten Notfällen und nach Rücksprache mit den Kolleginnen und Kollegen aus den kommunalen Kitas vorgekommen ist. Und das ist gut so.
Seit Jahren plädieren wir dafür, das Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen attraktiver und gerechter zu gestalten. Angesichts der zunehmenden Anforderungen, die an pädagogische Fachkräfte gestellt werden, kommen wir nicht mehr daran vorbei, bessere Rahmenbedingungen und eine höhere Wertschätzung des Erzieherinnenberufs herbeizuführen. Wir können nicht mehr einfach ignorieren, dass das Beobachten und Dokumentieren der Entwicklungsverläufe von Kindern, die Umsetzung alltagsintegrierter Sprachbildungskonzepte oder auch die Einführung von Qualitätsmanagementverfahren die beruflichen Ansprüche entscheidend verändert haben. In welcher Weise eine höhere Wertschätzung herbeigeführt werden muss, liegt auf der Hand und ist mehrfach kommuniziert. Die besseren Rahmenbedingungen betreffend fordert der KTK-Bundesverband seit langem ein Bundesqualitätsgesetz. Eine ausreichende Anerkennung der Leistungen in unseren Kindertageseinrichtungen hat aber nicht nur etwas mit besseren strukturellen Arbeitsbedingungen zu tun. Dazu gehört auch eine den Anforderungen entsprechende Bezahlung. Natürlich ist es für Eltern bitter, wenn Kitas streiken. Noch bitterer aber wäre es, wenn wir in diesem Übergang zu besseren Voraussetzungen in Kindertageseinrichtungen als Streikbrecher auftreten würden. Mit solidarischem Verhalten hätte dies beim besten Willen nichts zu tun. Und es wäre ein Affront gegen die Überzeugung, dass die Arbeit mit und am Menschen generell aufzuwerten ist.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.