Standpunkt
Genau hinsehen ...
Gut beobachtet hat das Manuela Schwesig. Genauso stellt es sich dar: Kindertageseinrichtungen ist es vielfach nicht möglich, auf alle Betreuungsbedarfe der Eltern zu reagieren. Gerade in Randzeiten beispielsweise fehlen hierfür die personellen Ressourcen. Deswegen ist es nur zu begrüßen, dass die Bundesfamilienministerin Anfang Juli mit ihrem Vorhaben an die Öffentlichkeit trat, ab dem 1. Januar 2016 bis zu 100 Millionen Euro bereitzustellen, damit Kitas ihr Betreuungsangebot in den Abend und Nachtstunden erweitern können.
Dass eine solche Ankündigung binnen kürzester Zeit Stürme der Entrüstung provoziert, kennen wir ja schon. Von »staatlich verordneten 24-Stunden-Kitas« ist in den Medien zu lesen. Auch Äußerungen wie »Warum nicht gleich die DDR Wochenkrippe?« oder »Wenn schon Kinder wegschaff en, damit die Arbeitskraft der Frauen frei wird, dann bitte richtig«, spiegeln wider, welche alptraummäßigen Schreckensszenarien ein bedarfsgerechtes Angebot der Kindertagesbetreuung in manchen Köpfen unserer Republik immer noch auslöst.
Dabei sollten die Kritiker erst einmal genau hinschauen. Erstens: Bei dem von Manuela Schwesig geplanten Vorhaben geht es nicht um eine längere Betreuung der Kinder, sondern um Angebote zu anderen Zeiten. Das Programm zielt auch nicht darauf, flächendeckend 24-Stunden-Kitas als Regelangebot zu etablieren. Zweitens: Kitas haben den Auftrag, für Eltern bereichernde und entlastende Angebote zur Verfügung zu stellen und sich mit deren Lebenssituation solidarisch zu erklären. Das gilt insbesondere und gerade für katholische Kindertageseinrichtungen. Dies unterstreicht beispielsweise auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. In einer Pressemeldung zum Thema weist er darauf hin, dass wir als Kirche unsere Augen nicht vor veränderten gesellschaftlichen Lebensrealitäten verschließen dürfen.
Wie gesagt, von 24-Stunden-Kitas ist in diesem Programm vorrangig nicht die Rede. Es kann aber durchaus sein, dass auch ein solcher Bedarf vorhanden ist. Wir haben innerhalb unseres Verbandsbereichs Kindertageseinrichtungen, die eine 24-Stunden-Betreuung anbieten, da es die besonderen Lebensverhältnisse der Eltern schlichtweg erforderlich machen. Sicherlich sollte dies die Ausnahme bleiben. Ist ein entsprechender Bedarf anderweitig jedoch nicht abzudecken, so gehört es zur Aufgabe einer katholischen Kita, hier ein Angebot bereitzuhalten, vorausgesetzt, entsprechende Ressourcen stehen zur Verfügung, die ein qualitativ hochwertiges Angebot sicherstellen.
Bleibt nur die Frage, wer das künftig bezahlt. So richtig einzusehen ist es nicht, dass ausschließlich Steuergelder hierfür aufgebracht werden. Von erweiterten Öffnungszeiten profitiert in erster Linie die Wirtschaft, die bei ihrer Personalpolitik und bei ihren Arbeitszeitmodellen wenig Rücksicht nimmt auf die familiäre Situation ihrer Beschäftigten. In den zurückliegenden Jahren haben gerade Vertreter der Wirtschaftsverbände lautstark den Ausbau der Kindertagesbetreuung eingefordert. Höchste Zeit also, dass sie auch hierfür Geld in die Hand nehmen und ihr gesellschaftliches Engagement dokumentieren.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
»Bei dem von Manuela Schwesig geplanten Vorhaben geht es nicht um eine längere Betreuung der Kinder, sondern um Angebote zu anderen Zeiten.«