Titelthema
Fachkräfte halten
Gute Fachkräfte sind begehrt. Sie für die Kindertageseinrichtung zu gewinnen, ist schon eine Herausforderung und wird in hohem Maß von der Attraktivität des Arbeitgebers und des Arbeitsplatzes abhängen. Sie langfristig an die Einrichtung zu binden, ist jedoch eine Meisterleistung. So wie in allen anderen Branchen ist auch im Bereich der Kinderbetreuung ein echtes Umdenken erforderlich: Die Arbeitgeber bewerben sich bei den Fachkräften - und nicht umgekehrt! Wer dies ignoriert und wer Versprechungen macht, die später nicht eingehalten werden, der wird die Fachkraft schnell wieder verlieren.
Der Erfolg beginnt mit der Ansprache der richtigen Mitarbeiter. Die Interessen der Fachkraft und die Interessen des Arbeitgebers sollten weitgehend übereinstimmen. Was sind unsere Ziele in der Kindertageseinrichtung? Was sind unsere Werte und unsere Konzepte im Umgang mit den kleinen und großen Menschen? Fehlt die Übereinstimmung, sind Unzufriedenheit, Auseinandersetzungen, Verschwendung von Arbeitskraft vorprogrammiert. Am Ende steht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Konflikte ziehen allerdings immer Kreise. Das bedeutet, Sie werden unter Umständen nicht nur eine Fachkraft verlieren ...
Drei wichtige Faktoren
Auf die Frage, was einen Arbeitsplatz für Mitarbeiter attraktiv macht, werden in der Regel als die drei wichtigsten Faktoren genannt: eine Tätigkeit, die mich erfüllt; ein leistungsbezogenes Gehalt; ein direkter Vorgesetzter, der meine Interessen und Ziele vertritt.
"Meine Arbeit soll mich erfüllen und mir Spaß machen."
Es ist ein "alter Hut", dass wir nur dann motiviert sind, etwas dauerhaft zu tun, wenn wir uns mit der Tätigkeit identifizieren können. Wenn wir einen Sinn darin sehen, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, ist an sich schon ein sehr hoher sinnstiftender Faktor erfüllt. Die Lebendigkeit der Kinder ist ansteckend. Aber: Lebendige Kinder brauchen lebendige Bezugspersonen. Wenn die Zumutung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen gegenüber den Fachkräften zu groß wird, verwandelt sich Lebendigkeit in Müdigkeit und Erschöpfung. Dass die Mitarbeiter für die Arbeit brennen ohne zu verbrennen, dafür hat der Arbeitgeber Sorge zu tragen. Sonst wird aus dem Sinn der Arbeit ganz schnell Unsinn.
"Ich möchte ein leistungsbezogenes, faires und gerechtes Gehalt."
Unsinnig ist auch ein Beruf, der trotz hundertprozentiger Arbeitsleistung nicht hundertprozentig ernährt. Weshalb sollte ich mich für eine Aufgabe langfristig voll und ganz engagieren, wenn ich nach Feierabend noch einer anderen Aufgabe nachgehen muss, damit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann? Kluge Fachkräfte teilen sich in diesem Fall ihre Kräfte ein und passen ihr Engagement der Entlohnung an. Langfristig suchen sie sich eine andere Aufgabe und gehen so dem Arbeitsmarkt verloren. Die Fluktuation aus dem Erzieher-Beruf ist groß. Viele Frauen kehren nach der Geburt der eigenen Kinder nicht in den Beruf zurück. Sie stellen ihre volle Fachkraft lieber den eigenen Kindern unter besseren Bedingungen zur Verfügung.
"Es braucht einen direkten Vorgesetzten, der meine Interessen und Ziele vertritt."
Das Betriebsklima, die Qualität der Zusammenarbeit ist für viele Mitarbeiter ein wesentlicher Faktor, der darüber entscheidet, ob sie bleiben oder gehen. Dazu zählt nicht nur der gute Umgang der Mitarbeiter untereinander. Eine positive Unternehmenskultur beschreibt den Umgang aller Menschen in der Organisation: auch den Umgang der Vorgesetzten untereinander, den Umgang zwischen den Vorgesetzten und den Mitarbeitern, den Umgang zwischen den Dienstleistern und den Kunden. Besonders der Zusammenarbeit und dem Umgang mit dem direkten Vorgesetzten wird eine große Bedeutung zugeschrieben. Mitarbeiter wünschen sich einen Vorgesetzten, der die Interessen und Ziele der Arbeitnehmer vertritt. Führungskräfte müssen mit ihrer Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit in Vorleistung gehen.
Statt Führungsstruktur und Führungsverhalten herrscht in vielen Kindertageseinrichtungen aber immer noch ein großes Vakuum vor. Wer zeigt sich in der Führungsverantwortung? Wem sind die Führungsaufgaben anvertraut? Kita-Leitungen erhalten häufig keine oder nur geringe Freistellung. Oft ist die Führungsaufgabe nicht klar umschrieben. Führungsqualifikation wird nicht verlangt und selten gefördert. Was in anderen Branchen undenkbar ist, wird selbstverständlich gelebt. Die Kraft der Führung wird nicht genutzt! Wenn die Kraft der Führung fehlt, wer spricht dann mit der Fachkraft über deren Engagement und Einsatz? Wer steuert die Prozesse, die nötig sind, um die Kräfte aller in der Organisation auf die gesetzten Ziele hin zu bündeln und langfristig einzusetzen? Wer setzt die Ziele? An wen wende ich mich als Fachkraft, wenn ich über meine Ideen und Ziele sprechen will?
Durch den Verzicht auf die Kraft der Führung wird nicht nur auf den wichtigen Ansprechpartner verzichtet, sondern auch auf die Steuerung der Fachlichkeit. Wo Prozesse nicht gesteuert und Ziele nicht gesetzt werden, herrscht das freie Spiel der Kräfte anstelle des gemeinsamen Spiels der Kräfte. Effektivität, Effizienz und der Betriebsfrieden gehen verloren. Orientierungslosigkeit, Selbstausbeutung, Konflikte sind die Konsequenzen. Entscheidende Faktoren für die Bindung einer Fachkraft sind damit nicht erfüllt. Auf die betriebswirtschaftlichen Nachteile will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen.
Der Orientierungsplan für Kinder und Fachkräfte
Wenn ich mir die sechs Bildung- und Entwicklungsfelder des Orientierungsplans für die Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg anschaue, dann finde ich hier auch sechs Felder für die Personalentwicklung in einer Kindertageseinrichtung wieder: Körper, Sinne, Sprache, Denken, Gefühl und Mitgefühl, Sinn, Werte und Religion.
Körper
Auch Fachkräfte brauchen zur Erhaltung der Arbeitskraft ein positives Körpergefühl, Gesundheitsbewusstsein, richtige Ernährung und die richtige Bewegung. Zugemutet werden Kita-Fachkräften aber Sitzpositionen und Bewegungen, die einem Erwachsenenkörper überhaupt nicht entsprechen, und häufig gibt es keinerlei Ausgleichsmaßnahmen wie beispielsweise Rückenschule oder andere gesundheitsfördernde Maßnahmen.
Sinne
Auch die Fachkräfte arbeiten mit all ihren Sinnen, die es zu erhalten gilt. Der permanente Geräuschpegel und fehlende Ruhephasen machen es dem Hörsinn allerdings fast unmöglich, selbstständig in die Regeneration zu gehen. Tinnitus ist eine häufige Folge. Bauliche Maßnahmen zum Schallschutz sollten deshalb in Kitas eine Selbstverständlichkeit sein, ebenso wie eine personelle und räumliche Ausgestaltung, die schriftliche Arbeiten in einem ruhigen Raum ermöglichen.
Sprache
"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." (Ludwig Wittgenstein) Auch Fachkräfte brauchen Ansprechpartner für ihre Bedürfnisse. Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen und Mitarbeiterbefragungen sind die wichtigsten Instrumente, um Fachkräfte einzubinden.
Denken
Fachkräfte können denken. Es ist ein Jammer, wie wenig deren Kompetenz und Denkfähigkeit in die Gestaltung der Prozesse in den Organisationen einbezogen werden. Noch viel zu oft wird für die Fachkräfte gedacht, anstatt mit ihnen nachgedacht. Modernes Führungsverhalten, ein partizipativer Führungsstil sollten die Norm sein, ebenso wie klare und geplante Weiterbildungsmaßnahmen, die den Zielen der Organisation und der Fachkraft entsprechen. Denn: Wer denken kann, kann auch nachdenken und mitdenken.
Gefühl und Mitgefühl
"Was du nicht willst, das man dir tu', das füg auch keinem andern zu." Hier kommt Trägern und Kita-Leitungen eine Vorbildfunktion zu.
Sinn, Werte, Spiritualität
Kindertageseinrichtungen müssen nach klaren pädagogischen Erkenntnissen arbeiten, und Konzeptionen leiten deren Arbeit. Hohe Werte im Umgang mit den Familien und den Kindern werden verlangt und gelebt. Das ist gut so. Bedauerlicherweise finden im Umgang mit den Mitarbeiterinnen diese Werte häufig plötzlich keinen Niederschlag mehr. Ist das sinnvoll?
Kindertageseinrichtungen, die auch in Zukunft personell gut aufgestellt sein wollen, brauchen nicht nur gut ausgebildete Fachkräfte, sondern auch gut ausgebildete Führungskräfte, die sich der Aufgabe des Personalmanagements widmen. Es braucht Menschen, die für alle Menschen in der Organisation verantwortlich sind. Es braucht Verantwortliche, die sich der Arbeitskraft und dem Nutzen der Kunden verpflichtet fühlen und die die Aufgabe der Führung verstehen. Denn: Gut geführte Mitarbeiter sind zufriedene Mitarbeiter, die der Einrichtung erhalten bleiben.
Claudia Rewitz
Dipl.-Psychologin, systemischer Coach und Organisationsberaterin.