Standpunkt
Wir brauchen mehr Kinderräte!
Stellen wir uns das folgende Szenario vor: In der katholischen Kindertageseinrichtung St. Josef gibt es einen Kinderrat. Dem Gremium gehören Delegierte der einzelnen Kita-Gruppen an. Die Mitglieder des Kinderrats nehmen einmal im Monat an den Sitzungen des pädagogischen Teams teil, um aktuelle Anliegen zu beraten. Themen beispielsweise, die im vierteljährlich stattfindenden Kinderparlament an sie herangetragen werden. In St. Josef zählt die Stimme der Kinder genauso wie die der Erzieherinnen und Erzieher. Nicht unbedingt bei allen Fragen, aber zumindest dann, wenn etwas die Kinder direkt betrifft.
Eine solche strukturelle Verankerung von Partizipation, die im Kita-Alltag einen festen und selbstverständlichen Platz hat, macht Kindertageseinrichtungen zu Kinderstuben der Demokratie. Wenn es Kindern möglich ist, aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung mitzuwirken, wenn sie bei allen Belangen, die sie betreffen, mitgestalten und mitreden können, dann tragen Kindertageseinrich-tungen zur Stärkung unserer demokratischen Strukturen bei. Kinder erleben durch ihr Mittun in der Kita, dass sie etwas verändern können. Dadurch wird nicht nur ihr Engagement gefördert. Die Erfahrung, etwas bewirken zu können, macht sie auch selbstbewusster, stärkt ihre demokratischen Kompetenzen und fördert eigen- und fremdverantwortliches Handeln. Kinder im pädagogischen Alltag durch institutionalisierte Formen zu beteiligen bedeutet, sie zu aktivieren und sie darin zu unter-stützen, mündige Bürger zu werden.
Kinder haben das Recht, an allen Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt zu werden. Dies gilt auch für Kinder in Kindertageseinrichtungen. Dieses Recht ist in der UN-Kinderrechtskonvention, im Kinder- und Jugendhilfegesetz und in den Kita-Gesetzen der Länder verankert. Aber auch verbandsintern haben wir uns dazu verpflichtet, dieses Recht einzulösen. Setzt man die Inhalte des KTK-Gütesiegel-Bundesrahmenhandbuchs als Maßstab des pädagogischen Alltags, dann gehört die Partizipation zu den unverwechselbaren Merkmalen der Arbeit katholischer Kindertageseinrichtungen.
Die Rechte der Kinder bestim-men in katholischen Kindertageseinrichtungen das pädagogische und das politische Handeln. Und zu diesen Rechten gehört, dass Kinder ihre Meinung sagen können und bei für sie relevanten Entscheidungen aus-reichend informiert und beteiligt werden. Dazu gehört etwa, dass Kinder an der Gestaltung der Räume mitwirken und dass Regeln für den Umgang untereinander und der pädagogische Alltag gemeinsam mit den Kindern entwickelt beziehungsweise gestaltet werden. So steht es im KTK-Gütesiegel-Bundesrahmenhandbuch, und jede Kindertageseinrichtung, die für sich in Anspruch nimmt, auf dessen Grundlage zu arbeiten, löst dieses Recht von Kindern ein.
So weit, so gut − oder auch nicht? Partizipation von Kindern hat etwas mit der Grundhaltung von pädagogischen Fachkräften zu tun. Sie beginnt schlichtweg in unseren Köpfen und setzt institutionalisierte, von Kindern selbst verantwortete Formen voraus. Von Erwachsenen moderierte Kinderkonferenzen reichen nicht aus. Kinderräte sind da schon erheblich konsequenter.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
"Kinder haben das Recht, an allen Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt zu werden."