Standpunkt
Von wegen Singen macht froh …
Landauf, landab bieten Kitas Zusatzangebote an, die scheinbar weit über das hinausgehen, was pädagogische Fachkräfte leisten können, Eltern aber einfordern. Kurse und Programme, mit denen für die Kita geworben wird, zumindest wenn man den zahlreichen Auftritten im Internet Glauben schenken darf. Zum Beispiel Frühmusikalische Erziehung von der Welt-Musik-Schule »Carl Orff«, natürlich gegen Aufpreis. Zweimal in der Woche Schwimmkurs während der Kita-Zeit − für den Transport und den Unterricht müssen Eltern tief in die Tasche greifen. Englischkurse oder zusätzliche Sportangebote wie Kampfkunst Lil’ Dragon, Tennis oder Fußball im Kindergarten, all das ist selbstverständlich nicht im Kita-Preis inbegriffen, sondern muss extra bezahlt werden. Auch den Forschergarten einer Berliner Kita für naturwissenschaftliche Experimente gibt’s nicht inklusive. Die Experimentierkurse finden jedoch nicht in den Ferien statt − diese Zeit nutzen die Kinder, um zu spielen und zu basteln. Wörtlich nachzulesen im Netz, gedacht als Aushängeschild für die Kita.
Alles in allem Zusatzangebote, die einen individuellen Zweitbeitrag voraussetzen. Kinder, deren Eltern das Geld nicht haben, bleiben ganz einfach draußen. So einfach ist das. Von Gleichbehandlung keine Spur, nichts zu erkennen davon, dass allen Kindern alle Angebote offenstehen. Zweiklassen-Kitas eben.
Abgesehen davon, wie man diese hoffentlich bald dahinwelkenden Alltagsblüten sozialpolitisch bewertet, auch pädagogisch sind solche Zusatzangebote mehr als überspannt. Kitas leisten doch schon alles, was Kinder brauchen. Bildung, Erziehung und Betreuung wird hier als ganzheitlicher Prozess verstanden, in dem alle physischen, sozialen, emotionalen und kognitiven Potenziale der Kinder gestärkt und gefördert werden. Dabei orientieren sich die pädagogischen Fachkräfte an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder. Die Partizipation von Kindern sowie das Lernen im Alltag, in dem das Spiel eine herausragende Bedeutung einnimmt, gehören zu den zentralen Prinzipien einer überzeugenden elementarpädagogischen Didaktik. Warum braucht es dann Angebote, die auf die Förderung einzelner formaler Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes fokussiert sind und weit über das hinausgehen, was für das Alter und für die Entwicklung der Kinder angemessen und sinnvoll ist? Gefördert werden dadurch allenfalls das Leistungsdenken der Erwachsenen und deren Leistungserwartungen schon an die jüngsten Kinder.
Durch solche Zusatzangebote werden Kinder aus dem Kita-Alltag herausgerissen, ihre individuellen Lernrhythmen ignoriert, kreative Prozesse unterbrochen und Spiele mit anderen Kindern zugunsten eines vermeintlich höherwertigen Angebots gestört. Wertvolle Zeit im Kita-Alltag wird verkürzt.
Pädagogische Fachkräfte mit ihren individuellen Fähigkeiten bilden zusammen ein starkes Team, das die Facetten der Bildungsbereiche sehr gut abdecken kann. Übrigens auch das Singen. Und das macht dann Spaß, wenn es in den Alltag integriert ist und nicht noch zusätzlich etwas kostet.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
»Pädagogische Fachkräfte mit ihren individuellen Fähigkeiten bilden zusammen ein starkes Team, das die Facetten der Bildungsbereiche sehr gut abdecken kann.«