Standpunkt
Kita-Teams vielfältiger denken!
Frank Jansen macht sich Gedanken über grundsätzliche Veränderungen des deutschen Kita-Systems.
Führen wir uns folgendes Szenario vor Augen: Wir bekommen die Aufgabe übertragen, das Kita-System in Deutschland neu zu erfinden. Man fordert uns auf, ein Konzept zu entwickeln, das den entsprechenden Rahmen steckt. Mal ehrlich: Käme jemand von uns auf die Idee, die Verantwortung für den Kita-Bereich auf 16 Länderministerien mit ebenso vielen Ausführungsgesetzen und unterschiedlichsten Rahmenbedingungen zu verteilen? Eher nicht, oder? In meinem Konzept würde die Verantwortung für Kitas beim Bund liegen, weil eine gute Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern ein gesamtgesellschaftliches Interesse ist und damit zur nationalen Aufgabe wird. Eine Vielfalt beispielsweise an Fachkraft-Kind-Schlüsseln oder an Zeitressourcen für Leitungsaufgaben würde es in meiner Skizze nicht geben.
So weit, so gut. Es gibt aber noch eine zweite grundsätzliche Veränderung, über die es sich lohnt nachzudenken. Über eine vielfältigere Zusammensetzung der Kita-Teams, vorausgesetzt natürlich, wir kriegen das hin, ohne an der Qualität der pädagogischen Arbeit zu sägen.
Multiprofessionelle Teams sind seit Jahren ein Thema. So richtig konsequent hat sich aber noch niemand an die Sache herangewagt. Die Debatte um die Zusammensetzung multiprofessioneller Teams in Kitas wird schon immer mit einer eingeschränkten Perspektive geführt. Maßgebend ist dabei die Vorstellung, dass in Kitas nur Fachkräfte arbeiten können, die einen pädagogischen beziehungsweise einen sozialpflegerischen Abschluss haben. Ist das aber das, was Kinder brauchen?
Erforderlich ist, dass wir das Thema »Qualifikationsniveau in Kitas« sehr viel offener diskutieren. Dabei steht die Frage im Raum, ob es nicht auch sinnvoll sein kann, Menschen mit anderen beruflichen Abschlüssen in unseren Einrichtungen als Fachkräfte anzuerkennen. Denn darin stimmen wir doch überein: Kitas sind für Kinder mittlerweile Lebensorte, an denen sie sich immer länger aufhalten. Deswegen ist es notwendig, dass neben den klassischen Bildungsanlässen auch Alltagssituationen in die Einrichtungen hereingeholt werden, die Kinder im häuslichen Umfeld nicht mehr unbedingt erleben. Haben Kinder gerade deswegen nicht ein Recht darauf, dass ihre Erfahrungsräume auch durch Menschen mit anderen Qualifikationen erweitert werden? Und was könnte das fürs Personal bedeuten? Im Rahmen der Teamarbeit würden die Fähigkeiten und Kompetenzen der Teammitglieder unterschiedlichster Professionen reflektiert und organisiert. Und das auf der Grundlage einer gemeinsamen Konzeption, nicht mehr nur auf der Grundlage einer gemeinsamen pädagogischen Kernausbildung.
Dass das ein heikles Thema ist, liegt auf der Hand. Klar ist auch, dass eine solche Veränderung nicht mit pädagogischen Qualitätsverlusten einhergehen darf. Deswegen müssen wir gewissenhaft Voraussetzungen definieren, die für einen solchen Schritt erforderlich sind. Darüber nachzudenken lohnt sich aber. Für Kinder allemal, für Erzieherinnen und Erzieher ganz sicher auch. Den pädagogischen Fachkräften würden in diesen erweiterten Teams ganz andere Aufgaben und Verantwortungsbereiche zugeschrieben. Wie aber schon zu Beginn gesagt, erst einmal nur als Szenario gedacht. Wir bleiben dran.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
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