Titelthema
Zusammenwirken im Team
Anke König sieht dafür eine Ethik pädagogischen Handelns als Voraussetzung.
Gute pädagogische Beziehungen sind Voraussetzungen für junge Kinder, damit sie sich zu selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln, die sich aktiv die Welt zu eigen machen. Gerade vor dem Hintergrund des starken Ausbaus der Kindertagesbetreuung und den damit verbundenen veränderten Arbeitsbedingungen stellt sich die Frage, wie durch das Zusammenwirken im Team dieser zentrale Teilaspekt des pädagogischen Handelns gestärkt wird. Eine Ethik pädagogischen Handelns - zu dem sich Teams verpflichten - kann einen Beitrag dazu leisten, dass diese basalen Voraussetzungen in den Einrichtungen nicht an Priorität verlieren.
Heterogenität als Chance
Gut 724 000 Personen waren 2018 in Kindertageseinrichtungen tätig. Zwischen 2006 und 2018 wurden insgesamt rund 309 000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Die Kapazitäten deckten Absolvent*innen der unterschiedlichen (sozial-)pädagogischen Ausbildungen, aber auch zu einem hohen Anteil Quereinsteiger*innen und Berufsrückkehrer* innen. Durch diese Entwicklungen werden Diversität und Pluralität in den Teams stärker sichtbar (Fachkräftebarometer 2019).
Von heterogenen Teams wird gesprochen, wenn sich diese mit Blick auf ihre Erfahrungen, Qualifikationen, Herkunft, Geschlecht, Alter et cetera unterscheiden. Vielfalt im Team wird auf unterschiedlichen Ebenen wertgeschätzt. Zurückzuführen ist das insbesondere darauf, dass damit der sogenannte group think durchbrochen werden kann. Group think beschreibt die Tendenzen, dass sich Gruppenmitglieder im Laufe der Zeit gegenseitig derart stark aneinander anpassen, dass eine vermeintlich hohe Übereinstimmung der gegenseitigen Auffassungen besteht. Das Zur-Sprache-Bringen unterschiedlicher Ansichten ermöglicht Befremdung und fordert dazu heraus, über Routinen nachzudenken. Hier liegt das Potenzial, auch »blinde Flecken« in der Praxis zu erkennen.
Teamarbeit als Herausforderung
Teamarbeit hat insbesondere aufgrund von soziologischen Ansätzen und sozial-psychologischen Studien an Beachtung in der Arbeitswelt gewonnen. Dabei wird durch die einen die Gewährung von reibungslosen Abläufen für ein gut funktionierendes Team betont, die anderen setzen auf ein gutes Teamklima, das es den einzelnen Teammitgliedern ermöglicht, sich entsprechend einzubringen (Lochner 2017, Viernickel/Voss 2012).
Deutlich wird, dass im Zuge des Ausbaus der Kindertageseinrichtungen Teamdynamiken in den Fokus rücken und sich Konflikte erhöhen. In der WiFF-Studie »Kita-Alltag zwischen Belastung und Erfüllung« (Nürnberg 2019) werden informelle kollegiale Gespräche sowohl mit »Entlastung« als auch »Belastung« verbunden. In der Studie »Was kommt nach dem Berufsstart?« von Fuchs-Rechlin und Züchner wird deutlich, womit Kindheitspädagog*innen, aber auch Erzieher*innen am Anfang ihres Berufslebens in den Kita-Teams belastet sind. Sie beschreiben, dass nicht selten die mangelnde Integration in die Teams zum Wechsel der Kita beziehungsweise des Arbeitsfelds führt. Anerkennung und Wertschätzung durch das Team und die Leitung sowie Unterstützung bei der Bewältigung der Arbeitsaufgaben und der Umsetzung neuer Ideen werden als zentrale Wirkfaktoren herausgestellt. Teams, die sich hier offen zeigen, erfahren durch Diversität für ihre pädagogische Arbeit nutzbringende Impulse. Das bedeutet, Teams stehen vor der Herausforderung, neue Perspektiven auch zuzulassen und den »group think« beziehungsweise geläufige und vertraute Herangehensweisen zu hinterfragen. In der Studie »Schlüssel für gute Bildung« (Viernickel/Nentwig-Gesemann et al. 2013) ist das dann der Fall, wenn sich Teams auf eine professionelle Basis beziehen und weniger, wenn harmonische Motive im Vordergrund stehen.
Die Innovation von heterogenen Teams kann sich dann entfalten, wenn kritisch mit neuen Impulsen umgegangen wird. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ist darauf angewiesen, eine professionelle Beziehungsebene zu begründen. Diese zeichnet sich durch einen individuellen Wertekern aus beziehungsweise sollte im Rahmen der Verantwortung, die heute die Kindertageseinrichtungen tragen, an eine universelle Ethik gebunden sein. Eine so begründete Teamarbeit hat auch Einfluss auf die pädagogische Qualität der Einrichtungen.
Eine Ethik des pädagogischen Handelns als Voraussetzung
Mittlerweile besucht in Deutschland fast jedes Kind eine Kita. Diese Entwicklung fordert Träger, aber auch die pädagogischen Fachkräfte heraus, trotz wachsender Komplexität pädagogische Qualität sicherzustellen. Eine Berufsethik ist hier angemessen als Orientierungshilfe und Maßgabe für die hohe Verantwortung, die pädagogische Berufsgruppen tragen. Mit einer Berufsethik verpflichten sich die Pädagog*innen zu den Rechtsnormen (Menschenrechte, Kinderrechte et cetera), an denen sie ihr Handeln ausrichten. Aufgrund der Vulnerabilität beziehungsweise der Verletzbarkeit der Subjekte sind Humanberufe insbesondere herausgefordert, eine solche Ethik zu verfassen.
Eine Ethik hat einen universellen Anspruch mit der Orientierung an den Menschenrechten. Annedore Prengel hat die »Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen« (2017) initiiert. Sie werden herausgegeben unter anderem vom Deutschen Institut für Menschenrechte und vom Deutschen Jugendinstitut. Damit wird Orientierung gegeben für die Einschätzung pädagogischer Praktiken.
Interaktionshandeln - zu dem auch das pädagogische Handeln zählt - ist in seiner Umsetzung hochkomplex. Es stellt eine Notwendigkeit dar, als professionelle pädagogische Fachkraft sich der Sollbruchstellen dieser Handlungsstrukturen bewusst zu sein. Denn das Handeln ist niemals vollständig planbar beziehungsweise nur bedingt rationalisierbar, aber zugleich der Kern der pädagogischen Arbeit. Interaktion und Kommunikation sind Vollzugsformen von Bildung und Erziehung. Die professionelle Interaktion muss daher auf einer internen und externen Handlungsregulierung basieren. Die Unmittelbarkeit der Interaktion gilt als Herausforderung und verlangt nach einem situationsbezogenen Interpretations-, Entscheidungs- und gegebenenfalls Interventionshandeln (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 2017), das sich unmittelbar an das Kind und dessen Bedürfnisse richtet. Dabei zeigen sich die pädagogisch praktischen Handlungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund des Erfahrungswissens. Sensitivität und Responsivität bilden dafür die Basis, um mit diesen krisenhaften Momenten umzugehen. Die individuelle und externe Handlungsregulation sind aber unentbehrlich, um diese vulnerable Schnittstelle zwischen den Subjekten verantwortungsvoll zu rahmen und auch Übergriffe und Verletzungen zu vermeiden. Eine wissenschaftlich-reflexive Haltung dient hier als professionelle Kompetenz.
Interaktion und Kommunikation sind flüchtige Prozesse. Um der Verantwortung gerecht zu werden, die in diesem Interaktionshandeln liegt, braucht es die interne und externe Handlungsregulation als nachgeordnete Rationalisierungs- und Steuerelemente. Die interne Handlungsregulation steht im engen Zusammenhang mit dem theoretischen Wissen und ermöglicht so eine Reflexionsebene, um das eigene Handeln beziehungsweise Routinen und Praktiken in der Einrichtung zu durchdringen (Helsper 2001). Eine externe Handlungsregulation durch Träger, Leitung und Team mit direkter Nähe zum Interaktionshandeln im Alltag ist notwendig, um das pädagogische Handeln der einzelnen Fachkräfte auch intersubjektiv zu rahmen. Dazu zählen die Evaluationen, zu denen Träger angehalten sind, aber auch eine von der Leitung initiierte Teamarbeit, die die Entwicklung der Einrichtung zu einer lernenden Organisation in den Mittelpunkt stellt.
In pädagogischen Settings kommt den Teams eine herausragende Rolle für die Rahmung professionellen Handelns zu. Denn ihnen wird in Form der externen Handlungsregulation ein hoher Einfluss auf die Interaktion und Kommunikation in den Einrichtungen zugeschrieben (Lochner 2017, Viernickel/Voss 2012). Gemeinsam akzeptierte Leitlinien zur Ethik pädagogischen Handelns erleichtern es, nicht nur unterschiedliche Einstellungen und Blickwinkel der Fachkräfte im Team offen zur Sprache zu bringen, sondern auch die beobachteten Praxen in der Kita vor diesem Hintergrund zu reflektieren. Das Wissen über die Sollbruchstellen des pädagogischen Handelns stärkt die Verantwortung für die Reflexion des pädagogischen Handelns im Team.
Fazit
Eine Ethik pädagogischer Beziehungen kann als bindende Klammer zwischen den Fachkräften und zugleich als Gradmesser für die Qualität in den Einrichtungen dienen. Für solche Auseinandersetzungen braucht es lernende Organisationen, die sich durch eine gewisse Offenheit auszeichnen und sich der Sollbruchstellen des pädagogischen Handelns bewusst sind. Vielfalt im Team kann für diese Entwicklung als Motor genutzt werden, um vermeintliche Übereinstimmungen aufzulösen und neue Perspektiven auf die Umsetzung der pädagogischen Arbeit zu gewinnen. Träger und Leitung sind verantwortlich, dass die pädagogische Arbeit ihrer Teams von gemeinsam geteilten ethischen Prinzipien durchdrungen ist und so die Priorität der Kernaufgaben im Zuge der derzeitigen Ausbaudynamik nicht geschwächt wird.
Prof. Dr. Anke König
Professorin für Allgemeine Pädagogik mit Schwerpunkt Frühpädagogik an der Universität Vechta.