Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
»Ohne Abweichung von der Norm ist Fortschritt nicht möglich«, soll der amerikanische Musiker Frank Zappa einmal gesagt haben. Aber wer legt die Norm fest? Wer definiert, was normal ist? Unsere Autorin Petra Evanschitzky betont, dass »richtig«, »falsch« oder »normal« keine hilfreichen Kategorien sind. Sie plädiert dafür, Kinder nicht entlang einer Norm zu erfassen, sondern in jedem Kind seine Stärken zu sehen und es in seiner Eigen-Art zu begleiten. Denn die Entwicklung von Kindern ist individuell, ihre Lernwege und -umwege sind unterschiedlich. »Wenn ich das Kind als starken Lernenden ernst nehme, traue ich ihm zu, dass es selbst seine Entwicklung vorantreibt und für sich sorgen will. Eine Ermutigung darin ist allemal besser als eine noch so bunt gestaltete Entwicklungsdokumentation«, wie sie auf Seite 13 schreibt.
Wie Kinder mit Hilfe von Lerngeschichten in ihrem Lernen unterstützt werden können, statt zu bewerten, ob sie dieses oder jenes Norm-Ziel schon erreicht haben, zeigt Kornelia Schneider eindrücklich ab Seite 14. Sie unterstreicht, dass Lerngeschichten Möglichkeitsräume eröffnen: »Anders als Einschätzungen der Entwicklung von Kindern, die auf Normen beruhen und in Einstufungen münden, regen Lerngeschichten zu einem vielperspektivischen Blick auf unterschiedliche Lernmöglichkeiten an.«
Annette Dreier bekräftigt im Interview ab Seite 18, dass für die Beobachtungen kindlicher Bedürfnisse und Wünsche ein wohlwollender und verstehender Blick von uns Erwachsenen gefordert ist: »Dann zeigen uns die Kinder, was sie brauchen und wollen.«
Diesen Blick auf Kinder wünsche ich uns allen. Denn eine ressourcenorientierte Pädagogik nimmt Kinder in ihrem Eigen-Sinn ernst und stärkt die Stärken aller Kinder.
Ihre
Irene Weber, Chefredakteurin