Standpunkt
Was wir brauchen, sind verrückte Leute ...
Im Februar 2012 starteten Gewerkschaften, Berufsverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege die Werbekampagne "Profis für die Kita". Unterstützt wird die Initiative vom Bundesfamilienministerium. Ziel war und ist es, durch diese Aktion mehr Nachwuchs für Kindertageseinrichtungen zu gewinnen. Angesichts des Fachkräftebedarfs ein doch wirklich löbliches Unterfangen, das in Kitas dankbar angenommen wird - das zumindest dachten wir.
Im Zuge der Initiative sind drei Informationsflyer entstanden, die sich vor allem an Schülerinnen und Schüler richten, die unmittelbar vor der Berufswahl stehen. Alle Broschüren tragen den Slogan "Traumjob Erzieherin". Nachdem wir die Mitgliedseinrichtungen des KTK-Bundesverbands über die Kampagne informiert hatten, erhielten wir einige kritische Rückmeldungen, zum Beispiel: "Was viele Leute vergessen - auch ein Alptraumjob ist ein Traumjob." Oder: "Stellen wir uns doch einfach mal vor, wie eine Kampagne 'Traumjob Altenpflegerin' wirken würde. Auch dort herrscht Personalmangel. Keine Werbeagentur würde es wagen, mit so einem Titel an die Öffentlichkeit zu gehen."
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir die Werbekampagne frei nach George Bernhard Shaw mit dem Slogan überschrieben hätten: "Was wir brauchen, sind verrückte Leute". Mit so einer skurrilen Blüte wäre die Situation in den Kitas vermutlich treffender auf den Punkt gebracht. Denn eines ist klar und vom KTK-Bundesverband bereits mehrfach unterstrichen: Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen, die an Kindertageseinrichtungen gestellt werden, und den Rahmenbedingungen, unter denen Erzieherinnen und Erzieher arbeiten. Dass es trotzdem gelingt, ein hochwertiges Angebot der Bildung, Erziehung und Betreuung in unseren Kindertageseinrichtungen umzusetzen, das haben wir den pädagogischen Fachkräften zu verdanken. Für sie ist der Alltag nicht selten eine Strapaze.
"Dass es gelingt, ein hochwertiges Angebot der Bildung, Erziehung und Betreuung in unseren Kindertageseinrichtungen umzusetzen, das haben wir den pädagogischen Fachkräften zu verdanken."
"Ein Job ist dann ein Traumjob, wenn er wirklich erste Wahl ist, wenn die Entscheidung dafür nicht aus Bequemlichkeit gefällt wurde oder weil man sich hat überreden lassen." So steht's im Journal für die Frau, Ausgabe 16/2002. Erste Wahl ist für viele Erzieherinnen und Erzieher ihr Metier sicherlich. Es gibt kaum einen Beruf, der so facettenreich, verantwortungsvoll und kurzweilig ist. In besagtem Frauenmagazin steht aber auch: "Wenn man total müde ist, viel zu wenig geschlafen hat und trotzdem morgens freudig aus dem Bett hüpft, dann stehen die Chancen gut, dass man ihn gefunden hat."
Damit diese morgendlichen Glücksmomente erhalten bleiben, brauchen wir Investitionen und vor allem die Überzeugung, dass eine hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern ein nationales Interesse ist und in die Verantwortung des Bundes gehört. Zu groß sind ganz einfach die Unterschiede in den Rahmenbedingungen von Bundesland zu Bundesland. Manche mögen die damit einhergehende Forderung nach einem Bundesqualitätsgesetz für eine ziemlich verrückte Idee halten. Mag sein. Aber der Scharfsinn von George Bernhard Shaw geht ja noch weiter: "Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben."
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.
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