Standpunkt
Es geht um Kinder ...
Kinder haben ein Recht auf Bildung. In der UN-Kinderrechtskonvention ist dieses Recht verbrieft. Deutschland gehört zu den Ländern, die dieses Übereinkommen unterschrieben haben und damit zur Umsetzung verpflichtet sind. Und das Recht auf Bildung meint nicht nur, dass Kindern der Schulbesuch zu ermöglichen ist. Nein, dieses Recht beinhaltet auch, dass Kinder eine Kita besuchen können. An diesem Punkt hat sich der deutsche Gesetzgeber ganz besonders hervorgetan, als er den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr schuf.
So weit alles gut? Von wegen. Für Kinder mit Fluchterfahrung gelten andere Regeln, obwohl laut dem SGB VIII § 6 Absatz 2 auch Ausländer diese Leistung in Anspruch nehmen können. Für Kinder mit Fluchterfahrung gilt der Rechtsanspruch erst dann, wenn ihre Familien einen Asylantrag gestellt haben, über eine Aufenthaltsgestattung verfügen und einer Kommune zugewiesen sind - also nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung leben müssen. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen »gewöhnlichen Aufenthalt« in Deutschland nachweisen zu können, und dies wiederum ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, einen Kita-Platz in Anspruch nehmen zu können. Wenn es schlecht läuft, dann zieht sich dieser Prozess bei vielen Kindern mit Fluchterfahrung über mehrere Monate oder sogar Jahre hin. Auf den Punkt gebracht: Der Zugang zu einer Bildungseinrichtung bleibt diesen Kindern unnötig lange verwehrt.
Bildung ist der wichtigste Schlüssel zu einer gelingenden Integration. Kinder mit Fluchterfahrung haben somit nicht ausreichend Chancen, so früh wie möglich die deutsche Sprache zu erlernen und sich mit unserer Kultur vertraut zu machen. Wenn die Politik ihre Verpflichtung aus der UN-Kinderrechtskonvention ernst nimmt, dann muss sie für Kinder mit Fluchterfahrung das Wahrnehmen des Rechts auf Bildung früher ermöglichen, als dies aufgrund der derzeitigen Rechtsauslegung des »gewöhnlichen Aufenthalts« realisierbar ist.
Wie bereits gesagt: Der »gewöhnliche Aufenthalt« als Voraussetzung für den Rechtsanspruch wird dann angenommen, wenn das ausländische Kind über eine Aufenthaltsgestattung verfügt und einer Kommune zugewiesen ist. Muss das zwingend so sein? Nein, muss es nicht. Das Haager Kinderschutzübereinkommen bewertet den »gewöhnlichen Aufenthalt« im Inland anders. Demzufolge ist der »gewöhnliche Aufenthalt« der Ort, der den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung eines Kindes ausmacht, an dem der Schwerpunkt seiner sozialen Bindungen liegt, der seinen Daseinsmittelpunkt bildet. Und das kann man mit Verlaub gesagt auch nach der Einreise feststellen. Damit würde der Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kita nicht erst dann eintreten, wenn das derzeit gültige Prozedere endlich über die Bühne gegangen ist.
Die Rechtsgrundlage in Deutschland benachteiligt Kinder mit Fluchterfahrung. Es ist zwingend angesagt, den »gewöhnlichen Aufenthalt« eines Kindes im Sinne des Haager Kinderschutzübereinkommens zu definieren. Alles andere steht einem Land, das sich seiner Willkommenskultur rühmt, nicht besonders gut zu Gesicht.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
»Die Rechtsgrundlage in Deutschland benachteiligt Kinder mit Fluchterfahrung.«