Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
»vielleicht haben wir von allen Kindheitstagen diejenigen am intensivsten durchlebt, von denen wir glauben, wir hätten sie nutzlos vertan«, soll der 1922 verstorbene französische Schriftsteller Marcel Proust einmal gesagt haben. In seinem Hauptwerk »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« schildert der Ich-Erzähler seine (zum Teil vergeblichen) Versuche, sich an seine Kindheit und Jugend zu erinnern.
Woran werden sich die heutigen Kinder erinnern, wenn sie als Erwachsene auf ihre Kindheit zurückschauen? An streng durchgetaktete Tagesabläufe mit vorgegebenen Lernzielen? An starre Stundenpläne und Leistungsdruck? An überzogene Erwartungen von Erwachsenen, die selbst unter Druck stehen? Oder an Tage voller Entdeckerfreude und Lebenslust, versunken im Spiel? An Bildungsinstitutionen, die individuelle Lernrhythmen berücksichtigen und allen Kindern die Chance auf ihre ganz eigenen Bildungsprozesse und Entwicklungswege bieten? An Erwachsene, die Kinder nicht bevormunden, sondern sie unterstützen ihre Potenziale zu entfalten und selbstständig Antworten auf ihre Fragen zu finden?
»Auf die Menge kommt es beim Lernen nicht an, schon gar nicht, wenn dies mit hektischem Springen von einem Thema zum anderen verbunden ist«, schreibt unser Autor Rainer Strätz auf Seite 15. »Der Wert der Projektarbeit liegt in der Botschaft: ›Was wir jetzt machen, ist so wichtig, dass wir uns viel Zeit nur dafür nehmen.‹ Alle Kinder haben das Recht nicht nur auf genügend Zeit und Muße, sondern auch auf Langeweile, denn daraus erwachsen neue Kräfte und Ideen …«
Ihre
Irene Weber, Chefredakteurin
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