Titelthema
Wenn Kita-Fachkräfte Bildungsarbeit zu zukunftsrelevanten Themen wie Wasser, Energie, Abfallvermeidung oder Konsum gestalten, beginnen sie in der Regel auch über die eigene Einrichtung, das eigene Handeln und die Vorbildfunktion der Kita als Lernort für eine nachhaltige Entwicklung nachzudenken. Ideen für ein umweltbewusstes Verhalten und eine verantwortliche Bewirtschaftung der Kita von Ralf Thielebein.
Ein Lernort für Nachhaltigkeit
Der Wert der Dinge
Begeben sich beispielsweise Kinder gemeinsam mit ihren pädagogischen Fachkräften auf die Spur des Abfalls, um herauszubekommen, was eigentlich mit all den Dingen geschieht, die wir im Laufe eines Tages wegschmeißen, so erfahren sie, dass viele der von uns nicht mehr benötigten Materialien durchaus noch gebraucht und wiederverwendet werden können. Das gilt für Papier ebenso wie für Kunststoffe oder Metall. Mit dieser neuen Erkenntnis zählt die Einführung eines Getrenntsammelsystems für Abfälle in der Regel zu den ersten Maßnahmen, die in der Kita umgesetzt werden. Im Zuge der weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema entwickeln die Kinder ein gutes Gespür für den Wert der vielen Dinge, die wir im Alltag als Müll entsorgen. Und so folgt dem Sammelsystem für Abfälle dann schnell auch beispielsweise eine Sammelbox für Papiere, die noch einmal bemalt oder zum Basteln benutzt werden können, oder ein regelmäßiger Tauschmarkt für Spielzeug. Weitere solcher Maßnahmen sind die Einrichtung einer Reparaturwerkstatt, in der zum Beispiel gemeinsam mit einem (Groß)Elternteil kaputte Dinge repariert werden, ein Flohmarkt für Kleidung oder auch ein Komposthaufen für Bioabfälle.
All diese Maßnahmen wirken – soweit sie auch nach dem Abfallprojekt aufrechterhalten werden – als dauerhafte Bildungsanlässe weiter. Möglicherweise folgt dem Abfallprojekt dann ein Projekt zum Thema »Ernährung«, weil die Kinder festgestellt haben, dass das Einkaufen auf dem Markt viel abfallärmer ist als der Einkauf im Supermarkt, und die Frage auftauchte, woher eigentlich die ganzen Lebensmittel kommen. So entsteht vielleicht ein neuer Bildungsanlass in Form eines eigenen kleinen Gartens oder eines Hochbeets, das gemeinsam mit den Kindern bewirtschaftet wird. Schritt für Schritt entwickelt sich die Kita so zu einem Lernort für eine nachhaltige Entwicklung, in der die Lernumgebung bereits zahlreiche Anlässe für die Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Fragestellungen und die Einübung nachhaltigen und verantwortlichen Handelns gibt.
Impulse für umweltbewusstes Einkaufen
In der Regel beginnt mit der Gestaltung einer entsprechenden Bildungsarbeit auch das Nachdenken über die eigene Handlungsweise und auch darüber, wie die Kita eigentlich selbst in Bezug auf ein nachhaltiges Wirtschaften aufgestellt ist. Bei einem Müllprojekt etwa liegt es nahe, neben den Abfällen in den Gruppenräumen auch den Abfall, der in anderen Bereichen der Kita anfällt, in den Blick zu nehmen. In der Konsequenz könnte beispielsweise die Entscheidung getroffen werden, im Bürobereich und auch für Mal und Bastelpapiere ausschließlich 100Prozent Recyclingpapier zu nutzen. Moderne Recyclingpapiere lassen sich von herkömmlichen Papieren fast nur noch anhand des Umweltzeichens »Blauer Engel« unterscheiden, das auf den geringeren Ressourcen verbrauch und die umweltverträglichere Herstellungsweise hinweist. Und was für Büro, Bastel- und Malpapiere gilt, sollte selbstverständlich auch für Toilettenpapier, Küchenrollen, Taschentücher und Papierhandtücher gelten.
Beim Nachdenken über die in der Kita anfallenden Abfallmengen landet man zwangsläufig auch beim Thema Verpackungsmüll. Er macht inzwischen einen erheblichen Anteil des Haushaltsmülls aus und lässt sich auch mit großer Anstrengung nicht ganz vermeiden. Dennoch bietet sich auch hier eine Vielzahl von Alternativen. So reduziert die Einführung von Brotdosen und die Einbeziehung und Aufklärung von Eltern den unnötigen Verbrauch von Alu und Klarsichtfolien für mitgebrachte Snacks. Und mit einem Blick dafür lässt sich auch bereits beim Einkauf die Menge des Verpackungsabfalls reduzieren. Obst und Gemüse kann weitgehend unverpackt eingekauft werden, und für viele der handelsüblichen Reinigungs- und Waschmittel, die natürlich auch ökologisch abbaubar sein sollten, werden heute in der Regel Nachfüllpackungen angeboten.
Große Potenziale bei der Verpflegung
Beim Thema Ernährung besteht in vielen Kitas Nachholbedarf, wenn es um eine ökologische Ausrichtung geht. Das beginnt bereits beim Speisenangebot. Denn hält man sich vor Augen, dass für den Anbau von Futtermitteln und die Viehwirtschaft rund 80 Prozent der weltweiten Agrarflächen benötigt werden und dass der Anbau von Soja für die Futtermittelindustrie maßgeblich für die Abholzung der Regenwälder verantwortlich ist, so gilt es, den Fleischkonsum auch in der Kita zu überdenken und zu reduzieren. Einmal Fleisch in der Woche ist ausreichend, wenn ansonsten eine ausgewogene Kost mit hohem Anteil an Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst angeboten wird. Auch sollte man wissen, woher das Fleisch kommt. Angesichts der artfremden und zum Teil tierquälenden Massentierhaltung ist auch aus ethischen Gründen dem Bezug von Fleisch aus bekannten regionalen Höfen unbedingt Vorzugzugeben, falls möglich in Bio-Qualität. Auch Fisch sollte nicht häufiger als einmal in der Woche auf den Speiseplan kommen. Hier ist darauf zu achten, welche Fischarten überhaupt noch für den Verzehr empfohlen werden können. Denn viele der handelsüblichen Arten sind inzwischen bereits über fischt und damit in ihrer Regenerationsfähigkeit gefährdet.1
Und was für Fleisch im Hinblick auf Bio-Qualität gilt, sollte auch beim Einkauf von Gemüse und Ost berücksichtigt werden. Aber aufgepasst: Nicht alles, was bio ist, ist damit automatisch gut. Denn die Bio Mango, die mit dem Flugzeug eingeflogen wird, ist deshalb nicht automatisch auch ökologisch. Saisonalität und Regionalität sind Kriterien, die beim Einkauf unbedingt berücksichtigt werden sollten. Eine Kita, die bei ihrem Speisenangebot für die Kinder auf überwiegend saisonale Produkte aus der Region zurückgreift und dies bei der pädagogischen Arbeit mit den Kindern thematisiert, unterstützt sie dabei, sich wertvolles Wissen und Zusammenhänge zu Herkunft, Aussehen und Erntezeiten von Nahrungsmitteln anzueignen. Natürlich sollte bei Produkten, die aus Übersee bezogen werden, wie etwa Kaffee, Kakao oder Orangensaft, auch auf das Fair-Trade-Siegel geachtet werden, um eine faire Bezahlung der Bauern zu unterstützen.
Dem Energieverbrauch auf der Spur
Mit einer Berücksichtigung von ökologischen Kriterien bei der Beschaffung von Verbrauchsgütern und bei der Verpflegung in der Einrichtung leisten Kitas auch einen wertvollen Beitrag zur Reduzierung von CO2 Emissionen und damit auch zum Klimaschutz. Denn neben der Wärmeerzeugung und dem Energieverbrauch elektrischer Geräte sind es vor allem die Bereiche Ernährung und Konsumgüter, die im Gesamt energieverbrauch einer Kita zu Buche schlagen.
Natürlich gilt es für eine Kindertageseinrichtung, die zu einem Lernort nachhaltiger Entwicklung werden will, auch ihren Energieverbrauch für Wärmeerzeugung, Beleuchtung und die Nutzung elektrischer Geräte in Küche, Bad und Büro unter die Lupe zu nehmen. Hierfür empfiehlt es sich, das oft kostenlose (oder geförderte und damit kostengünstige) Angebot kommunaler und regionaler Energieberater in Anspruch zu nehmen. Diese unterziehen das Gebäude und dessen Wärmedämmung ebenso einem Energiecheck wie die Heizungsanlage und die verschiedenen Energieverbraucher. Sie geben wertvolle Tipps für Energiesparmaßnahmen und eine energetische Sanierung.
Eine ganze Reihe lohnender Energiesparmaßnahmen lassen sich allerdings auch selbst in die Hand nehmen. Es lohnt sich beispielsweise zu prüfen, ob die Heizungsanlage in den nutzungsfreien Zeiten und in der Nacht automatisch herunterfährt oder ob sie etwa auch noch am Wochenende dafür sorgt, das Gebäude schön warm zu halten − und das, obwohl sich niemand darin aufhält. Eine solche Überprüfung kann durch den Hausmeister oder den zuständigen Techniker erfolgen. Auch ein kritischer Blick auf die Beleuchtung und die elektrischen Geräte in der Kita ist oft lohnenswert. Glühbirnen und alte Leuchtstofflampen sollten ebenso gegen moderne energiesparende Leuchtmittel ausgetauscht werden wie veraltete Kühl und Gefrierschränke gegen Geräte, bei denen eine Kennzeichnung wie A+++ auf eine energieeffiziente Betriebsart hinweist.
Aber nicht nur durch die Neuanschaffung oder den Austausch alter Geräte kann der Energieverbrauch gesenkt werden. Ein Modellprojekt, an dem rund 50 Hamburger Kindertageseinrichtungen teilnahmen, hat gezeigt, dass auch über ein energiebewusstes Verhalten nennenswerte Einsparungen möglich sind. Im Durchschnitt waren es rund 800 Euro pro Jahr und Kita, die durch konsequentes Abschalten der Beleuchtung und energiebewusstes Heizen und Lüften erzielt wurden. Dass solche Einsparungen tatsächlich möglich sind, wird nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, dass bereits eine Senkung der Raumtemperatur um durchschnittlich ein Grad Celsius eine Energieeinsparung von sechs Prozent bewirken kann
Gemeinsam mehr erreichen
Die Entwicklung einer Kita zu einem Lernort für umweltbewusstes und verantwortliches Handeln ist ein Prozess, der in der Regel seine Zeit braucht. Auf dem Weg dorthin erscheinen äußere Rahmenbedingungen und die vielfältigen Anforderungen, die an Kitas herangetragen werden, oft wie Stolpersteine oder gar wie unüberwindbare Hürden. Da hilft es, wenn man nicht alleine steht, sondern mit Gleichgesinnten an einem Strang ziehen kann. Empfehlenswert ist es deshalb, den Austausch mit anderen Einrichtungen zu suchen und sich gegenseitig zu unterstützen. So wie 17 Kindertageseinrichtungen aus einem Landkreis in Schleswig-Holstein: Die Kita-Leitungen taten sich zusammen und entwickelten gemeinsam Ideen für eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Einrichtungen. Mit Unterstützung der S. O. F.-Umweltstiftung erarbeiteten sie ein Papier, das für die Bereiche »Gestaltungs- und Büromaterialien«, »Hauswirtschaft«, »Küche und Ernährung«, »Energie« und »Gebäude und Einrichtung« Standards für eine nachhaltige Beschaffung definiert, die in Zukunft in allen beteiligten Kitas gelten sollen. Das Besondere daran: Aus dem Erfahrungsschatz der Leitungskräfte wurde die Liste ergänzt durch Bezugsquellen für ökologische und regionale Produkte und bei einigen Lieferanten mit gebündelter Kraft darauf hingewirkt, dass diese ihre Angebote überdachten und den neuen Wünschen anpassten.2
Das Beispiel zeigt auch, wie Kitas, die sich auf den Weg hin zu einem Lernort nachhaltiger Entwicklung machen, in ihr Umfeld wirken. Von ihnen gehen Impulse zur Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Themen aus, sei es durch das Einbeziehen von Eltern in die pädagogische Arbeit, die Zusammenarbeit mit regionalen Einrichtungen und Organisationen oder über eine umweltbewusste und verantwortungsvolle Bewirtschaftung und Beschaffung. Damit leisten Kindertageseinrichtungen auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu einer zukunftsfähigen Entwicklung unserer Gesellschaft.
Ralf Thielebein
Geschäftsführer der S. O. F. Save Our Future – Umweltstiftung, Mitglied im Fachforum Frühkindliche Bildung im Rahmen des Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Anmerkungen
1 Der Fischratgeber von Greenpeace zum Beispiel bietet eine Übersicht, welche Fischarten beziehungsweise Bestände eher empfehlenswert sind. Er ist kostenlos erhältlich unter www.greenpeace.de/fischratgeber
2 Einrichtungen, die diesem Beispiel folgen wollen, können von der S. O. F. − Umweltstiftung eine entsprechende Checkliste bekommen (E-Mail an: anna.thielebein@save-our-future.de).