Standpunkt
Nutzen wir die Chance!
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Kindertageseinrichtungen unverzichtbar sind, betont Frank Jansen.
»Gestärkt aus der Krise«: Mit diesem Titel kommt die vorliegende Ausgabe von »Welt des Kindes« provozierend daher. Seit Anfang 2020 hetzen wir von einem Krisenmodus in den anderen. Von Aufrufen zur Gelassenheit und Hinweisen darauf, dass man der ganzen Pandemie auch etwas Vorteilhaftes abgewinnen kann, will man eigentlich nichts mehr hören. Bemühen wir trotzdem einmal einen positiv gewendeten Blick auf diejenigen, die im zurückliegenden Corona-Jahr zwischen Kita schließen, öffnen und eingeschränktem Regelbetrieb bewiesen haben, dass sie im Arbeiten »unter erschwerten Bedingungen« geübt sind. Sie, die pädagogischen Fachkräfte, haben in den vergangenen zwölf Monaten nicht nur gezeigt, wie systemrelevant Kindertageseinrichtungen sind. Deutlich wurde auch, dass Sie als pädagogische Fachkräfte ein enormes Potenzial an Resilienz an den Tag legen, ein Persönlichkeitsmerkmal, das in solchen Krisen unverzichtbar ist. Resiliente Persönlichkeiten arbeiten lösungsorientiert, anstatt an ihrem Schicksal zu zerbrechen. Die Beispiele und Geschichten, die uns in diesem Corona-Kita-Jahr erreicht haben, sind überwältigend. Neben aller berechtigten Klage über die unzureichende digitale Ausstattung, über fragwürdige Regelungen in Sachen Notbetreuung bis hin zur ungeklärten Finanzierung der Corona-Tests für Kinder, diese Geschichten zeigen vor allem eines: Für Sie alle in den Kindertageseinrichtungen standen die Kinder und Familien im Mittelpunkt Ihrer Arbeit. Wie Kontakt zu den Kindern halten, Ängste nehmen, Eltern beraten, die Kita in der Krise managen? Offenbar tragen hier die Erfahrungen vieler Jahre Arbeitens unter erschwerten Bedingungen auch durch die Krise.
Das ist aber nicht als Verharmlosung zu verstehen, im Gegenteil. Es gibt berechtigte Gründe, Kritik zu üben und zu klagen. Natürlich wurden aufseiten der Verantwortlichen Fehler gemacht, nicht nur während der Krise. Wie lange weisen wir schon darauf hin, dass Fachkräfte fehlen, die Fachkraft-Kind-Relationen nicht stimmen und Leitungen sehr viel mehr Zeit für ihre verantwortlichen Aufgaben brauchen? Aber empörungsrhetorische Ausbrüche, so wie beispielsweise in dieser Ausgabe die Rede davon ist, dass diese Politik einer öffentlichen Ohrfeige gleicht, die pädagogische Fachkräfte erleiden müssen, helfen uns nicht weiter. Solche Formulierungen sind nie dialogisch, dafür werden durch sie aber Feindbilder geschaffen. Dort, wo Empörung sich hochschraubt, dort entwickeln sich schnell Opfernarrative, die keine wirklichen politischen Perspektiven eröffnen. Wer heute in den sozialen Medien beispielsweise davon spricht, dass Erzieherinnen in der Notbetreuung geopfert werden, wird in der politischen Debatte kaum ernst genommen. Ernst genommen wird jedoch die Bedeutung, die Kindertageseinrichtungen für die ganze Gesellschaft haben. Dabei hat die Krise aufgezeigt, wo wir unzureichend auf sie vorbereitet waren: sei es in der Ausstattung, beim Personal, in den Leitungsressourcen oder auch mit Blick auf die räumlichen Gegebenheiten.
Diese Erkenntnisse werden nicht verschwinden, denn die Erfahrungen hunderttausender Familien, aber auch der Arbeitgeber haben sich in das kollektive Gedächtnis geschrieben: Kindertagesbetreuung ist unverzichtbar. Diese Gewissheit wird uns gestärkt aus der Krise bringen. Ganz ohne Kalendersprüche und Empörungsspiralen.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
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