Titelthema
»Ein neues Denken ist entstanden«
Mirja Wolfs stellt das Krisenmanagement des KiTa Zweckverbands im Bistum Essen vor.
Am 27. Januar 2020 wurde der erste Fall einer Coronavirus-Infektion in Deutschland bestätigt. Von da an ging alles sehr schnell: Die Pandemie breitete sich rasant aus und unser Leben wurde derart auf den Kopf gestellt, wie wir es vorher nicht für möglich gehalten haben. Bereits im Februar zeichnete sich ab, dass das Virus enorme Auswirkungen auf den Betrieb der Kindertageseinrichtungen haben würde. Erste Hinweise zu Hygienemaßnahmen, um Ansteckungen vorzubeugen, wurden herausgegeben, Veranstaltungen abgesagt, Kitas auf eventuelle Schließungen vorbereitet. Am 13. März 2020 verkündete der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, die flächendeckende Schließung aller Kindertageseinrichtungen, ein Betretungsverbot und den Übergang in eine Notbetreuung. Das hat die Arbeit von mehr als 250 Kindertageseinrichtungen im KiTa Zweckverband tiefgreifend verändert, rund 3000 Mitarbeitende mit neuen, schwierigen Aufgaben konfrontiert und circa 16 000 Familien eine nervenzehrende Zeit beschert.
Seither hat die Krise uns und die gesamte Gesellschaft vor enorme Herausforderungen gestellt. Doch wir dürfen niemals außer Acht lassen, was die Mitarbeitenden geschafft haben. Denn gerade das macht Mut und gibt Zuversicht. Und so kann auch der KiTa Zweckverband eine positive Zwischenbilanz ziehen: Er verfügt über ein Krisenmanagement, das punktgenau an die Pandemie angepasst wurde und bis heute funktioniert. Wir gehen als starke Dienstgemeinschaft durch die Krise, haben gelernt, neu und anders zu denken; wir haben unsere Gewohnheiten hinterfragt und dadurch mehr Innovation und Kreativität zugelassen. Diese Seite der Pandemie-Medaille lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken: Denn viele Prozesse, Ideen und Haltungen werden bleiben und unsere Arbeit zum Wohle des Kindes bereichern.
Krisenstab
Der wichtigste Schritt im Corona-Krisenmanagement des KiTa Zweckverbands war die Einberufung eines Krisenstabs, der den Verband seitdem durch die herausfordernden Monate der Pandemie navigiert. Zusammengesetzt aus Führungskräften, den Mitarbeitendenvertretungen und Mitarbeitenden kam der Krisenstab anfangs zweimal täglich zusammen, mittlerweile nur noch wöchentlich. Der Krisenstab behält die aktuelle Corona-Situation umfänglich im Blick, identifiziert Themen, berät und priorisiert, um schließlich Haltungen zu entwickeln, Handlungsempfehlungen anhand politischer Informationen zu formulieren und Entscheidungen zu treffen. Uns war es immer wichtig, den Kolleginnen und Kollegen innerhalb dieser fragilen Situation Sicherheit zu geben und Zuversicht zu verbreiten.
Digitalisierungsschub
Mit den ersten Quarantäne-Fällen, dem Beginn der Notbetreuung sowie mit dem Einstieg in das mobile Arbeiten wurde deutlich, dass dezentrales Arbeiten neue digitale Strukturen und Maßnahmen erfordert. Diese Erfordernisse fielen auf eine solide Grundausstattung, da der KiTa Zweckverband bereits in allen Kitas über eine gesicherte WLAN-Verbindung, Anschluss an die Bistums-Server sowie Convertibles in jeder Gruppe verfügte.
Zudem wurden weitere digitale Werkzeuge in der Kommunikation, im Projektmanagement sowie der Selbstorganisation installiert:
• Einführung der Software »Microsoft Teams«
• Aufbau des Intranets und wöchentliche Newsletter für alle Beschäftigten#
• Umstellung etablierter Fortbildungsformate in Präsenz auf Webinare sowie Konzeption von
E-Learning-Modulen
• Vereinfachung der Kommunikation mit den Familien durch die »KiTaPLUS Eltern-App«
• Installation der digitalen Zeiterfassung
In Krisenzeiten ist die interne Kommunikation von großer Bedeutung. Daher haben wir binnen weniger Tage zwei Kanäle etabliert: Intranet und Newsletter. Das Intranet ist eine flexible Informationsplattform, die täglich mit neuem Inhalt gefüllt wird. Der wöchentlich erscheinende Newsletter hat die Mitarbeitendenzeitung abgelöst. Hier werden aktuelle politische Themen sowie Verbandsthemen aufgegriffen, Best-Practice-Beispiele aus Kitas platziert und mit einem Vorwort der Geschäftsführung persönliche Ansprachen formuliert.
Inzwischen keimen überall neue digitale Projekte auf: Der Verband führte eine sehr erfolgreiche Trägerkonferenz mit Live-Streams und digitalen Workshops durch, ebenso wie digitale Dienstbesprechungen und offene Gesprächsrunden. Im Rahmen der Distanzbetreuung etablierten die pädagogischen Fachkräfte neue digitale Formate, um mit den Kindern, die zu Hause betreut wurden, in Kontakt zu bleiben und ihnen Teilhabe zu ermöglichen. So wurden etwa die Kita-eigenen Websites ausgebaut, Gottesdienste virtuell durchgeführt, Theaterstücke auf Video-Portalen bereitgestellt, virtuelle Kita-Führungen angeboten oder Kita-eigene Newsletter an Familien per E-Mail verschickt.
Die Pandemie hat den KiTa Zweckverband im Hinblick auf die Digitalisierung ein gutes Stück nach vorne gebracht. Eine ausreichende digitale Ausstattung von Kindertageseinrichtungen ist unverzichtbar und muss seitens der Politik durch einen Digital-Pakt flächendeckend in Deutschland ermöglicht werden.
Struktur schafft Sicherheit
Es gibt noch weitere strukturelle Aspekte, die Teil des Krisenmanagements des KiTa Zweckverbands sind beziehungsweise dieses positiv beeinflusst haben:
• Einheitliche und strenge Schutz- und Hygienekonzepte (zum Beispiel Home-Office, CO2-Ampeln in allen Kitas, Trennung von Abteilungen/Gruppen)
• Eine innerverbandliche Klarheit in Personalangelegenheiten (zum Beispiel Stufenplan zum Einsatz von Mitarbeitenden aus Risikogruppen)
• Verzicht auf Beköstigungsbeitrag für Familien im Lockdown beziehungsweise bedarfsgerechte Abrechnung im Teil-Lockdown
• Finanzierungszusage und Unterstützungspakete seitens der Politik
• Einsatz zusätzlicher Kräfte (Förderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen -Alltagshelfer)
• Schärfung der Trägerrolle als Interessenvertretung (zum Beispiel durch öffentliche Forderungen an die Politik zum Thema Schutz von Kita-Personal, Formulierung der Systemrelevanz von Kitas in Gremien- und Netzwerkarbeit und vieles mehr)
• Interne Wissens-Plattform für Praxisbeispiele zur Distanzbetreuung
Klare Strukturen geben Sicherheit und schaffen Vertrauen - erst recht in Krisenzeiten. Daher ist es eine essenzielle Trägeraufgabe, als Rahmengeber und Interessenvertreter zu agieren.
Stärkung der pädagogischen Fachkräfte
Trotz intensiver Schutz- und Hygienekonzepte arbeiten die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas überwiegend ohne Maske und in engem Körperkontakt. Einen besonderen Fokus richtet der KiTa Zweckverband daher auf die Prozessbegleitung und -unterstützung zur Stärkung der Rolle der pädagogischen Fachkräfte. So stellte die Fachberatung während der gesamten Zeit der Pandemie Handlungsempfehlungen zur Verfügung: qualitative Bildungsangebote, Veränderungen in der Erziehungspartnerschaft, Glaubensangebote, Teamangebote, Kinderschutz.
Wichtig war uns von Beginn an auch die Unterstützung der Familien. Denn es wurde, vor allem während der eingeschränkten Betreuung, deutlich, dass Familien mit den Mehrfachbelastungen an ihre Grenzen kommen. So haben wir, um ein Beispiel aufzugreifen, ein Notfalltelefon für Eltern mit Ratschlägen etwa für die Vereinbarkeit von Home-Office und Kinderbetreuung angeboten.
Wir sind froh, dass die Bemühungen einer Impfstrategie für die Mitarbeitenden in den Kindertageseinrichtungen erfolgreich waren und inzwischen die Impfungen sichergestellt werden. Dafür danken wir allen beteiligten Akteuren ausdrücklich!
Langfristiger Gewinn
Keine Frage: Wir sind froh, wenn die Pandemie ein Ende nimmt und wir uns vom Krisenmodus verabschieden können. Dennoch steht außer Frage, dass wir unglaublich viel gelernt haben. Ein neues und sehr viel flexibleres Denken ist auf allen Ebenen entstanden. Das Interesse an neuen Themen, alternativen Herangehensweisen und digitalen Methoden hat stark zugenommen. Wir durften feststellen: Vieles davon funktioniert, stößt auf positive Resonanz, bereichert unsere Arbeit - und darf daher bleiben.
Des Weiteren haben wir einen starken Zusammenhalt erfahren - zwischen Familien und pädagogischen Fachkräften sowie innerhalb der Mitarbeitendenschaft. Wir sind als Dienstgemeinschaft noch mehr zusammengewachsen und durften feststellen: Der KiTa Zweckverband ist krisenfest.
Die Corona-Krise hat die große Bedeutung der Kitas für die Entwicklung der Kinder gezeigt; auch die Politik stellte klar, dass Kitas als Bildungseinrichtungen systemrelevant sind. Dies muss jedoch noch weitaus stärker in der Gesellschaft verankert werden. Zudemwurde sichtbar, dass das System Kita einen für die Gesellschaft unverzichtbaren Auftrag erfüllt, indem es die Vereinbarung von Familie und Beruf ermöglicht.
Pädagogische Fachkräfte, auch das wurde mehr als deutlich, müssen komplexe Anforderungen der frühkindlichen Bildung erfüllen und auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen kompetent reagieren. Wir fordern daher eine stärkere Wertschätzung und Anerkennung von Erzieherinnen und Erziehern - und werden darin nicht nachlassen.
Aber auch der Handlungsbedarf zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in Kitas zeigt sich in der Pandemie wie durch ein Brennglas. Die Strukturqualität wie der Fachkraft-Kind-Schlüssel, eine Personaloffensive, die Investition in Ausbildung sowie die kontrollierte Öffnung von Fachkraftkatalogen muss weiter in den Blick genommen werden.
Danke!
Abschließen möchte ich mit einem herzlichen Dankeschön. An die Familien, die große Herausforderungen gestemmt haben. Und ich danke insbesondere den pädagogischen Fachkräften, die in den Kindertageseinrichtungen, die in Nordrhein-Westfalen immer geöffnet waren, kein Kind zurückgelassen haben. Sie waren immer an vorderster Stelle tätig und haben zum Wohle der Kinder Herausragendes geleistet: ohne Maske und mit viel persönlichem Kontakt im pädagogischen Alltag, mit qualitativen Bildungsangeboten und vielen aufmunternden Worten.
Mirja Wolfs
Geschäftsführerin des KiTa Zweckverbands im Bistum Essen, stellvertretende Vorsitzende des KTK-Bundesverbands.