Standpunkt
Moment mal!
Damit Kitas Orte vieler glücklicher und positiv prägender Augenblicke bleiben, fordert Paul Nowicki ein entschiedenes politisches Handeln.
Unsere Tageseinrichtungen für Kinder sind Orte, an denen erste prägende Schritte ins Leben getan werden. Sie sind Schlüsselinstitutionen für eine gesunde Entwicklung von Kindern. Für die allermeisten Kinder und ihre Familien sind die Jahre in der Kita eine besondere Zeit, an die man sich gerne zurückerinnert.
Doch ist das, was hier geschildert wird, so selbstverständlich, wie es klingt? Die jüngste Studie der Bertelsmann Stiftung zum Zustand der Kitas in Deutschland, das »Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2023«, wirft einen Schatten auf das vermeintliche Glück im Kita-Alltag. Nach ihren Berechnungen fehlen in Deutschland, vor allem in den westlichen Bundesländern, rund 430 000 Kita-Plätze und in den östlichen ist eine Fachkraft für zu viele Kinder zuständig. Die Hoffnung, dass sich, wenn alle Initiativen und Kräfte gebündelt werden, die Notsituation bis 2030 bessert, weist auf ein Licht am Ende des Tunnels, bedeutet aber, dass wenigstens zwei weitere Generationen von Kita-Kindern keine optimalen Rahmenbedingungen vorfinden.
Auch der Blick auf die Personalsituation lässt Zweifel an idyllischen Vorstellungen aufkommen. Es fehlen in erheblichem Maße Fachkräfte und die, die im täglichen Einsatz sind, sind bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gefordert - und oft noch darüber hinaus. Der freie Zugang aller Kinder ist trotz Rechtsanspruch nicht gewährleistet, die Betreuungsumfänge entsprechen oft nicht den Bedarfen und die Verlässlichkeit der vereinbarten Betreuung ist in dieser kritischen Lage nicht zu gewährleisten.
Das große Glück angesichts dieser Herausforderungen ist das Selbstverständnis der Kitas. Sie verstehen sich nicht nur als Ort, in dem ganzheitliches Lernen stattfinden kann, sondern auch als ganzheitliches System, das lösungsorientiert Wege sucht, um das eigentliche Anliegen frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung nicht aus dem Blick zu verlieren. Gerade in Zeiten von Ressourcenknappheit und eingeschränktem Angebot durch äußere Einflüsse leisten unsere Kitas Großartiges. Die Mitarbeitenden setzen sich mit ihrem Engagement für die Kinder ein und versuchen, unter schwierigen Bedingungen eine qualitativ hochwertige Betreuung zu gewährleisten.
Kitas sind nicht nur für die Kinder und ihre Familien unverzichtbar. Sie sind systemrelevant für unsere ganze Gesellschaft und ihre Zukunft. Hier wird die unverzichtbare Basis für Bildung gelegt, die ein Leben lang tragen kann. Hier können sich Kinder individuell entfalten. Das ist ein Glück, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Dass in diesen krisenhaften und belastenden Zeiten unsere Kitas so Großartiges leisten, ist kein Hinweis, dass es »ja doch irgendwie geht«, sondern ein Alarmsignal, dass die Anstrengungen, etwas zu ändern, bei weitem nicht ausreichen. Auf Bundesebene muss das versprochene Qualitätsgesetz kommen - wissenschaftlich fundiert, klar formuliert und finanziell gut abgesichert, damit die Bundesländer und Kommunen die Umsetzung engagiert angehen können. Auf Länderebene müssen schnelle Lösungen erarbeitet und zugelassen werden, ohne dass sie zulasten der pädagogischen Qualität gehen, und auf kommunaler Ebene braucht es lokale Bündnisse im Sozialraum, die schon jetzt das Potenzial vor Ort aktivieren. Nur so kann kurz- und mittelfristig die Situation abgemildert werden und die Perspektive, die die Studie der Bertelsmann Stiftung aufzeigt, Realität werden.
Es liegt an uns, dass Kitas Orte vieler glücklicher und positiv prägender Momente bleiben.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.