Standpunkt
Schattendasein in der Kita
Eigentlich ist alles doch gar nicht so schlimm, oder? Für den Fall, dass Sie eine Kindertageseinrichtung leiten und unter Dauerstress stehen, alles kein Problem. Nutzen Sie doch einfach eines der vielen und punktgenau auf Sie zugeschnittenen Angebote, und Sie kriegen diesen Wust an Aufgaben schon in den Griff. Qualifizieren Sie sich beispielsweise zur Sozialwirtin weiter, und schon klappt es mit dem Verwalten. Oder buchen Sie ein Seminar zum Thema Zeitmanagement, und Ihren Terminstress können Sie vergessen. "Bleiben Sie entspannt und optimistisch, und bringen Sie Ihre Kita in den nächsten vier Wochen entscheidend voran." Wie das geht? Keine Frage. Hierzu werden Ihnen im Internet fünf Strategien angeboten, mit denen Sie Ihre Kita "souverän durch diese turbulente Zeit steuern".
Vielleicht hilft das eine oder andere Angebot tatsächlich. Auf Dauer vermutlich aber eher nicht. Eine Kindertageseinrichtung in diesen "turbulenten Zeiten souverän zu steuern" setzt nämlich voraus, dass Leitungskräfte ausreichend vom Gruppendienst freigestellt sind. Doch wie steht es damit bundesweit? Genaue Zahlen hierüber zu ermitteln, ist gar nicht so leicht. Fakt ist jedoch, dass in den nahezu 50900 Kindertageseinrichtungen in Deutschland gerade mal ein Drittel der Leitungskräfte vollständig vom Gruppendienst befreit ist. Dies geht aus dem Ländermonitor "Frühkindliche Bildungssysteme 2011" der Bertelsmann Stiftung hervor. Etwa gleich hoch ist der Anteil der Leiterinnen und Leiter, die stundenweise nicht in der Gruppe arbeiten. Überhaupt nicht freigestellt sind rund 40 Prozent, so die Zahlen der Kita-Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) von 2007. Klar, diese Daten sind schon etwas älter.
"Es ist beschämend, dass die Frage der Freistellung von Kita-Leitungen in der aktuellen politischen Debatte ein Tabuthema ist."
Wir können aber davon ausgehen, dass fünf Jahre später keine wesentliche Verbesserung eingetreten ist. Darauf deuten die ganz unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern hin. In einigen ist dazu übrigens gar nichts geregelt. Hier kommt es auf den guten Willen der Kommunen und der freien Träger an.
Leitungskräfte von Kindertageseinrichtungen steuern ihre Organisation. Sie übernehmen Aufgaben, die weitgehend vergleichbar sind mit dem Management eines Wirtschaftsunternehmens. Leiterinnen und Leiter von Kitas sind für die Personalführung verantwortlich, sie initiieren Weiterentwicklungsprozesse, gestalten Kooperationsbeziehungen und stellen ihre Einrichtungen nach außen dar. Vielfach sind sie auch für die Akquisition von Geldern zuständig, entwickeln Personalentwicklungsstrategien für ihr Team und koordinieren die vielfältigen Angebote ihrer Kita. Sie brechen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Kita-Alltag herunter und bereiten diese für ihr Team auf. Außerdem sind Leitungskräfte das Bindeglied zwischen ihrer Kindertageseinrichtung und dem Träger beziehungsweise der Gemeinde.
Angesichts dieser Bedeutung ist es fast schon beschämend, dass die Frage der Freistellung von Kita-Leiterinnen und -Leitern in der aktuellen politischen Debatte ein Tabuthema ist. Kitas brauchen freigestellte Leitungskräfte, und ab vier Gruppen muss eine volle Freistellung von der pädagogischen Arbeit selbstverständlich sein. Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die Kindertageseinrichtungen täglich ins Licht der Öffentlichkeit rücken, aus ihrem Schattendasein hervorgeholt werden.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.