Standpunkt
Erst mal Luft holen ...
Nach draußen gehen, tief Luft holen und nochmals in aller Ruhe die Argumente abwägen: Diesem Ratschlag sollten jene folgen, die sich auf der politischen Bühne für ein Betreuungsgeld stark machen oder die sich nur aus arbeitsmarkt- und familienpolitischen Gründen gegen das Betreuungsgeld wenden. Geplant ist, dass Eltern ab 2013 monatlich 150 Euro erhalten, wenn sie für ihr ein- bis dreijähriges Kind keine außerfamiliäre Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen. Ein Vorhaben, bei dessen Bewertung auch nicht die Frage der Entlohnung elterlicher Erziehungsleistungen im Vordergrund stehen darf. Ebenso wenig das populistisch anmutende Gegenargument, es handele sich um eine Prämie für den Verzicht auf Fremdbetreuung der Kinder. Wichtig ist vielmehr, dass der familiäre Entscheidungs- und Handlungsspielraum für Eltern zum Wohle ihrer Kinder im Mittelpunkt der Debatte steht. Unter welchen Voraussetzungen dabei das Wohl des Kindes tatsächlich berücksichtigt wird, das kann man zugegebenermaßen unterschiedlich bewerten. Ich bewerte das so:
Als im Dezember 2008 das Kinderförderungsgesetz in Kraft trat, wurde ein bedeutender bildungspolitischer Meilenstein gelegt. Der mit dem Gesetz verabschiedete Ausbau des Angebots für Kinder unter drei Jahren sowie der darin verankerte Rechtsanspruch ab 2013 auf eine Förderung in der Kindertagesbetreuung sind meines Erachtens kluge Errungenschaften, die nicht nur arbeitsmarkt- und familienpolitische Vorteile bergen. Ausreichend Plätze für Kinder in den ersten drei Jahren tragen in erster Linie dazu bei, Familien in der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen und bessere Bildungschancen für alle Kinder zu schaffen. Frühkindliche Bildung ist nun einmal der Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit. Je früher es Kindern möglich ist, außerfamiliäre Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen, umso eher ist gewährleistet, dass auch gerade für Kinder aus benachteiligten Lebensverhältnissen mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichergestellt werden kann. Kaum jemand zweifelt heute noch an dieser Tatsache.
"Die in dieser Debatte viel zitierte und geforderte Wahlfreiheit von Eltern erfordert ausreichend und qualitativ hochwertige Plätze."
Und dass den Kindertageseinrichtungen hierbei eine bedeutende Rolle zukommt, ist mittlerweile ebenso unumstritten. Sowohl in Kinderkrippen als auch in altersgemischten Gruppen werden in einer engen erziehungspartnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern soziale, emotionale und kognitive Potenziale der Kinder gefördert.
Nun muss natürlich nicht jedes Kind in den ersten drei Jahren eine Kindertageseinrichtung besuchen. Es sollte aber auch keinem Kind die Möglichkeit verwehrt bleiben, seine Potenziale durch die lern- und entwicklungsförderliche Umgebung in Kindertageseinrichtungen zu stärken. Das Betreuungsgeld kann jedoch eine solche Barriere sein.
Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge würde die Einführung eines Betreuungsgeldes zwischen 1,4 und 1,9 Milliarden Euro jährlich kosten - Summen, die man meiner Ansicht nach besser in den ohnehin unterfinanzierten Ausbau des Betreuungsangebots sowie in bessere Rahmenbedingungen von Kindertageseinrichtungen investieren sollte. Die in dieser Debatte viel zitierte und geforderte Wahlfreiheit von Eltern erfordert nun mal ausreichend und qualitativ hochwertige Plätze.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.