Standpunkt
Verrechnet!
Anfang Juli 2013 konnten wir in den Print-Medien lesen, was wir ohnehin schon wussten: Die pädagogischen Fachkräfte in unseren Kindertageseinrichtungen stehen vor der großen Herausforderung, eine gute Qualität der frühkindlichen Bildung zu gewährleisten. Diese Feststellung wird im Länderreport "Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann-Stiftung auf die unzureichenden Personalschlüssel zurückgeführt. Demnach liegt der Personalschlüssel in Krippen bundesweit durchschnittlich bei 1:4,5. Die schlechteste Betreuungsrelation weisen die ostdeutschen Länder auf: Hier betreut eine Vollzeitkraft durchschnittlich sechs Ganztagskinder unter drei Jahren. In den westlichen Ländern stellt sich die Situation laut Länderreport ein bisschen besser dar, aber auch nicht so, wie es sein müsste. Hier sind es in der Regel 3,7 Kinder, die von einer Erzieherin betreut werden. Nicht günstiger sieht es in den altersgemischten Gruppen aus, in denen auch ein- und zweijährige Kinder untergebracht sind. Hier variieren die Personalschlüssel zwischen 1:7,5 bis 1:9,5 im Osten sowie zwischen 1:5,8 und 1:7,9 im Westen. Stichtag der Erhebung war der 1. März 2012. Anderthalb Jahre später werden uns die tatsächlichen Relationen aber vermutlich nicht besser gelaunt stimmen.
Diese Zahlen sind, um es gelinde auszudrücken, mehr als ärgerlich und nicht zu akzeptieren. In den vergangenen Jahren hat die frühkindliche Bildung in der Öffentlichkeit zu Recht an Bedeutung gewonnen. Und nicht nur in Fachkreisen ist man davon überzeugt, dass eine qualitativ hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern gerade in den ersten Jahren abhängig von Personalschlüsseln ist, die von den Bedürfnissen der Kinder abgeleitet werden. Umso unverständlicher ist es, dass wir es nach wie vor mit einer nicht hinnehmbaren Diskrepanz zwischen der Bedeutung frühkindlicher Bildung und den tatsächlichen Rahmenbedingungen zu tun haben.
"Diese Zahlen sind nicht zu akzeptieren."
Würden die Verantwortlichen in den Ländern bei ihren Personalberechnungen beispielsweise respektieren, dass gerade Kinder in den ersten Lebensjahren eine individuelle Eingewöhnung, eine verlässliche Bezugserzieherin, wertschätzende Dialoge und eine beziehungsvolle Pflege brauchen, dann müssten deutlich bessere Betreuungsrelationen vorliegen: in Krippengruppen mit Ein- und Zweijährigen eine Relation von maximal drei Kinder auf eine Erzieherin; bei den Zwei- bis Sechsjährigen liegt der unter anderem vom Europäischen Netzwerk für Kindertagesbetreuung empfohlene Schlüssel bei 1:4,9.
Aber nicht nur bei den Personalschlüsseln geht Mathe anders. Ebenso gravierende Rechenfehler finden wir bei den Gruppengrößen sowie bei den Verfügungszeiten für die Vor- und Nachbereitung, die mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit einer pädagogischen Mitarbeiterin ausmachen müsste. In einigen Bundesländern hat man hier erst gar nicht gerechnet - will heißen, die Verfügungszeiten sind nicht geregelt. In andern Ländern liegen diese deutlich unter dem empfohlenen Umfang.
Und wie geht's nun weiter? Vielleicht müssen wir mit Nachdruck alle Rechenkünstler in den Bundesländern zur Nachhilfe in die Kita schicken. Da nämlich finden sie die besten Lehrmeister, wenn es darum geht, Rechenfehler aufzudecken und zu korrigieren.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.