Standpunkt
Bei allem Verständnis ...
Erinnern Sie sich noch? Als 2003 die ersten PISA-Ergebnisse veröffentlicht wurden, geriet die Bildungsarbeit von Kindertageseinrichtungen massiv in die öffentliche Kritik. Eigentlich hatten wir im Kita-Bereich darauf gehofft, dass es zu einer umfassenden Reform des Schulwesens kommen würde. Von wegen: Die Aufmerksamkeit richtete sich auf die Arbeit von Erzieherinnen, und der Tadel rückte einen ganzen Berufszweig in ein schräges Licht. "Erzieherinnen nutzen das Bildungspotenzial von Kindern nicht", "in Kitas passiert nicht mehr als ein "eia popeia" und "watschel watschel Entchen", "Erzieherinnen sind das vom Steuerzahler aufgebrachte Gehalt nicht wert", "viel Lego, aber null Logo". So, oder zumindest so ähnlich konnten wir es in den Print-Medien lesen. Binnen kürzester Zeit entstanden in allen Bundesländern Bildungspläne, mit denen sichergestellt werden sollte, dass Kinder in Kitas auch etwas lernen. Ein Förderprogramm nach dem anderen wird seitdem auf dem pädagogischen Markt angeboten.
Wen wundert es da, wenn viele Eltern völlig verunsichert sind und aus Sorge um die Bildungsbiografie ihrer Kinder Förderprogramme einfordern, die vielfach nicht unserem Bildungsverständnis entsprechen. Bildung in Kindertageseinrichtungen ist ein ganzheitlicher Prozess, in dem alle physischen, sozialen, emotionalen und kognitiven Potenziale der Kinder gestärkt und gefördert werden. Bildung als eigentätigen Prozess des Kindes begreifen, sich an den Interessen und Lernrhythmen der Kinder orientieren, die herausragende Bedeutung des kindlichen Spiels anerkennen: All dies sind die zentralen Prinzipien einer fachlich guten und christlich reflektierten Elementarpädagogik in unseren Kindertageseinrichtungen. Und von diesen Grundsätzen dürfen wir nicht abrücken, allen Förderprogrammen zum Trotz. Denn eines ist klar: Diese inhaltlich und zeitlich fremdstrukturierten Lerneinheiten werden der Tatsache nicht gerecht, dass das selbstbestimmte und selbstgestaltete Spiel das Lernen der Kinder charakterisiert.
Geholfen ist uns aber auch nicht, wenn wir die Erwartungen von Eltern schlichtweg verdammen. Wenn Förderprogramme gefordert werden, dann sicherlich nicht, um die Kolleginnen und Kollegen in Kindertageseinrichtungen zu triezen. Dahinter steckt vielmehr eine tiefe Sorge, dass Kinder dem schulischen Leistungsdruck ohne solche Programme nicht gewachsen sind. Vertrauen in die pädagogische Arbeit unserer Kindertageseinrichtungen können wir nur dann gewinnen, wenn wir die Angst der Eltern ernst nehmen, Ihre Motive bestätigen und überzeugend darlegen, dass unser Ansatz am Ende nachhaltigere Bildungserfolge verzeichnet, als dies eher schulisch orientierte Angebote jemals leisten können.
"Bildung in Kindertageseinrichtungen ist ein ganzheitlicher Prozess, in dem alle physischen, sozialen, emotionalen und kognitiven Potenziale der Kinder gestärkt und gefördert werden."
"Kita ist wie Schule, nur anders und besser": Diese Überzeugung gilt es in Argumentationsmuster herunterbrechen, selbstbewusst und mit viel Verständnis vorzutragen. Nur so kann es gelingen, Eltern als Experten der Erziehung ihrer Kinder anzuerkennen, ohne die eigenen Postulate für gelingende Bildungsprozesse über den Haufen zu werfen.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.