Standpunkt
Qualität braucht den Vergleich
In einem liegt Rainer Strätz in seinem vorangestellten Beitrag "Und die Praxis?" richtig: Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen haben ein Recht darauf, so behandelt zu werden, wie es sich gehört. Es kann nicht sein, dass beispielsweise in den Kita-Gesetzen oder auch in Bildungsplänen der Länder fortlaufend Forderungen aufgestellt werden, ohne die hierzu erforderlichen personellen und zeitlichen Ressourcen zu benennen beziehungsweise zu schaffen. Auch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Fachkräfte mit Respekt zu behandeln sind. Mit ausreichend Respekt vor dem, was sie tagtäglich leisten.
Aus diesen Anstandsregeln dürfen jedoch keine missverständlichen Schlüsse gezogen werden. Ein zwiespältiges Gefühl schleicht sich bei mir angesichts der Überzeugung ein, in Qualitätsfragen gebe es keine richtige oder gar objektive Perspektive und pädagogische Qualität könne immer nur durch diejenigen definiert und interpretiert werden, die für ihre Umsetzung in der Praxis Verantwortung tragen. Gleichermaßen quer kommt die vermeintliche Richtschnur daher, Fachkräfte und Kita-Teams hätten das Recht, im Zuge von Zertifizierungs- oder Evaluationsverfahren nicht miteinander verglichen zu werden, ganz zu schweigen von der Feststellung, das Streben mancher Träger nach dem neuesten Zertifikat oder Gütesiegel könne Qualität eher verhindern.
Die Entscheidung von Trägern, für ihre Kindertageseinrichtung ein Zertifikat oder auch ein Gütesiegel zu erwerben, wird nicht ohne die Leitung oder ohne die pädagogischen Fachkräfte gefällt. Im Gegenteil, vielfach sind es Fachkräfte, die den Träger auf diese Möglichkeit hinweisen. Und wenn eine Kita sich für diesen Schritt entscheidet, dann deswegen, um die Qualität der eigenen Arbeit zu prüfen, zu sichern und weiterzuentwickeln. Ganz abgesehen davon, dass damit immer auch eine hohe Wertschätzung des Trägers für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden ist.
"Die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis haben ein Recht darauf, dass ihre Arbeit bewertet wird und sie Rückmeldungen dazu erhalten."
Dass es maßgeblich auf die pädagogischen Fachkräfte ankommt, wenn es darum geht, pädagogische Qualität zu definieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies aber mit einem Ausschließlichkeitsanspruch zu verbinden, ganz sicher schon. Egal, in welchen beruflichen Bezügen man sich befindet, eine Außenperspektive hat noch niemandem geschadet. Im Gegenteil: Bei der Festschreibung pädagogischer Qualitätsstandards ist es unumgänglich, neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch Überzeugungen zugrunde zu legen, die sich ableiten lassen aus dem Menschenbild und dem besonderen Wertgefüge des jeweiligen Trägers. Pädagogische Fachkräfte in katholischen Kindertageseinrichtungen beispielsweise kommen nicht daran vorbei, das Kind in seiner Einzigartigkeit zu respektieren. Und daraus ergeben sich ganz konkret definierbare Standards für den pädagogischen Alltag, die in gemeinsamer Verantwortung und in einem Zusammenspiel unterschiedlicher Perspektiven entwickelt werden.
Und wie steht es um das Recht der Fachkräfte, nicht miteinander verglichen zu werden? Der Umkehrschluss ist der Fall. Die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis haben ein Recht darauf, dass ihre Arbeit bewertet wird und sie Rückmeldungen dazu erhalten. Und zwar auf der Grundlage eines anerkannten und abgestimmten Referenzrahmens. Diesen Anspruch haben wir ihnen viel zu lange aus welchen Gründen auch immer verwehrt.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.