Standpunkt
Billigangebote für Grundschulkinder sind nicht aktzeptabel!
Frank Jansen fordert, den Rechtsanspruch mit qualitativen Standards zu unterlegen.
Bitte nicht den gleichen Fehler wieder machen! Im August 2013 trat der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt waren wir, was die Qualität angeht, nicht ausreichend vorbereitet. Es fehlten für den Krippenbereich ausgebildete Fachkräfte, angemessene Raumkonzepte mussten ebenso wie fachliche Standards erst noch entwickelt werden. Das Problem an der Sache damals: Im Mittelpunkt stand der quantitative Ausbau. Inhaltlich-konzeptionelle Themen wurden vernachlässigt.
Jetzt scheint es so, als würde das Gleiche schon wieder passieren. Diesmal bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Betreuung für Kinder im Grundschulalter. Erneut spielen Zahlen die entscheidende Rolle und qualitative Maßstäbe rücken zumindest auf der politischen Ebene in den Hintergrund.
Anders lässt es sich kaum erklären, dass die Trägerverbände bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs nicht einbezogen werden. Diesen Hinweis erhielten unter anderem die Vertreterinnen und Vertreter der Trägerverbände auf einer Informationsveranstaltung, zu der das Bundesfamilienministerium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung Mitte Juni 2019 eingeladen hatten. Im Mittelpunkt dieses Schauspiels standen Bedarfsquoten und finanzielle Investitionen. Es wurde darüber informiert, dass je nach täglichem Betreuungsbedarf zwischen 322 000 und 665 000 neue Plätze zu schaffen sind. Es wurde dargestellt, dass auf dieser Grundlage zwischen 1,9 Milliarden und 3,9 Milliarden Euro Investitionskosten erforderlich werden und dass die jährlichen Betriebskosten je nach Betreuungszeiten zwischen 1,3 Milliarden und 2,6 Milliarden Euro liegen. Über qualitative Fragen wurde nicht diskutiert. Nicht darüber, welche pädagogischen Konzeptionen man zugrunde legen will oder welche fachlichen Standards zwingend erfüllt sein müssen, um ein angemessenes Angebot vorzulegen. Auch die Frage, woher man die Fachkräfte bekommt, ist offensichtlich irrelevant. Fakt ist aber, dass wir über 60 000 zusätzliche Fachkräfte brauchen.
Betrachtet man die enormen Investitions- und Betriebskosten, dann liegt auf der Hand, warum qualitative Themen keine Rolle spielen - oder klarer ausgedrückt, warum diese keine Rolle spielen dürfen. In dem Moment, in dem fachliche Standards in der Debatte auftauchen, scheitert vermutlich die Umsetzung des Rechtsanspruchs. Schon heute ist zwischen Bund, Ländern und Kommunen völlig unklar, wie dieses politische Unterfangen finanziert werden kann. Die vom Bund in Aussicht gestellten 2 Milliarden Euro reichen da bei weitem nicht aus.
Als die damalige Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) im Juli 2017 den Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder ankündigte, bewertete der KTK-Bundesverband diese Initiative als richtige und längst überfällige familien- und bildungspolitische Weichenstellung. Wenn aber in der politischen Diskussion qualitative Faktoren keine Rolle spielen, ist diese Einschätzung nicht aufrechtzuerhalten. Es ist zwingend erforderlich, fachliche Standards zu definieren und dabei Fachleute hinzuzuziehen. Denn am Ende sind wir es, die als Trägerverbände einen großen Beitrag dazu leisten sollen, dass der Rechtsanspruch überhaupt umgesetzt werden kann.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
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