Standpunkt
Die Politik ist gefragt!
Ohne Engagement der Politik gibt es keine gelingende Inklusion in Kindertageseinrichtungen, betont Paul Nowicki.
Inklusion ist kein pädagogischer Begriff, sondern ein fundamentaler Gedanke des menschlichen Zusammenlebens. Jeder Mensch ist unvollkommen. Und weil das so ist, ist jeder, wie er ist, perfekt und einfach passend, um gemeinsam zu leben, zu lernen und zu gestalten.
Doch fangen wir bescheiden an: Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), das seit 2021 in Kraft ist, stärkt die Rechte der Kinder mit ihren Familien und konkretisiert den Anspruch auf Teilhabe an Bildung und Betreuung für Kinder mit und ohne Behinderungen. Alle Kinder sollen in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen und in ihrer Entwicklung gefördert werden. Dies bedeutet, dass Kindertageseinrichtungen so gestaltet sein müssen, dass sie den Bedürfnissen aller Kinder gerecht werden - von barrierefreien Zugängen bis hin zu individuell abgestimmten pädagogischen Konzepten.
Kitas benötigen deshalb eine bedarfs- und ressourcenorientierte Ausstattung, die auf die spezifischen Anforderungen der Kinder und ihrer Familien abgestimmt ist. Dies beinhaltet ausreichende finanzielle Mittel, gut ausgebildetes Personal und eine enge Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe.
Hinzu kommt die Entwicklung einer inklusiven Haltung innerhalb der Kita-Teams und eine kontinuierliche Professionalisierung des pädagogischen Personals. Und Inklusion endet nicht bei den Kindern. Auch die Familien müssen in den Prozess einbezogen und unter-stützt werden.
Um die Inklusion in unseren Kitas nachhaltig zu verankern, sind deshalb politische Maßnahmen unerlässlich. Es bedarf klarer bildungspolitischer Vorgaben und ausreichender finanzieller Unterstützung. Vor allem braucht es in der aktuellen Krisensituation schon jetzt die Stärkung der Kitas, bevor sie sich der neuen Herausforderung stellen und in noch größerem Umfang Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in ihrer Entwicklung begleiten.
Doch die aktuelle Situation ist ein Skandal! Das Kita-Ausbauprogramm, das seit 2008 zwar 750 000 neue Kita-Plätze geschaffen hat, aber noch lange nicht den wirklichen Bedarf deckt, wird ab kommendem Jahr eingestellt. Das Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz, das im Koalitionsvertrag versprochen und in den vergangenen zwei Jahren umfangreich vorbereitet wurde, kommt wahrscheinlich nicht und die jährlich zwei Milliarden Euro, mit denen in den zurückliegenden fünf Jahren vor allem die Kommunen, die in Deutschland für die Kitas zuständig sind, entlastet wurden, fallen wohl dem Sparprogramm der aktuellen Haushaltsplanung zum Opfer. Statt die Kitas für ihre neue Aufgabe zu stärken, erfahren sie Geringschätzung. Eine starke Politik, die Kinder mit ihren Familien stärkt, sieht anders aus.
Die Umsetzung inklusiver Bildung in den Kitas ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die Engagement und Zusammenarbeit auf allen Ebenen erfordert - von den pädagogischen Fachkräften über die Träger bis hin zur Politik. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Kinder die bestmöglichen Chancen auf eine ganzheitliche Entwicklung und Teilhabe erhalten.
Die Fachkräfte vor Ort sind bereit. Doch ohne das stringente Handeln der Politik werden die notwendigen Rahmenbedingungen fehlen. Das Thema Kitas und Inklusion in ein anderes Ministerium oder zur nächsten Regierung zu schieben, ist gewiss auch keine Lösung zum Wohl der Kinder.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e.V.