Trägertagung 2022: Im Weinberg des Herrn 2.0. Fachkräfte halten
Dokumentation der Trägertagung am 04./05. Oktober 2022
Nach einem Grußwort des neuen KTK-Geschäftsführers Diakon Paul Nowicki führte Lena Przibylla durch das Programm.
SITUATION
Darum geht’s: Aufgrund der aktuellen multiplen Krisen im Bereich der Kitas befasste sich die Trägertagung des KTK-Bundesverbandes mit der vielleicht wichtigsten, aber auch schwierigsten Frage, der Fachkräftebindung. Hierbei ging es nicht um die Gewinnung neuer Fachkräfte, sondern um Möglichkeiten und Instrumente, bereits gewonnene Mitarbeiter langfristig am Arbeitsplatz zu halten.
TAG 1
Die Personalsituation in Katholischen Kindertageseinrichtungen. Ein Blick aus der Forschung
Wie sich die aktuelle Personalsituation katholischer Kitas statistisch darstellt und welche Faktoren aus wissenschaftlicher Perspektive dazu beitragen, Personal zu binden, zeigten zum Auftakt der Tagung Dr. Christiane Meiner-Teubner und Norina Wallußek vom Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund auf. Die Fachkräfte in katholischen Kitas wurden im Allgemeinen beleuchtet und Fragen wie: Personalbedarf, Alter des Personals und Leitungskräfte aufgegriffen. Auch der Frage nach den immer noch unterrepräsentierten männlichen Fachkräften gingen die beiden Wissenschaftlerinnen nach. Was macht den Arbeitsplatz Kita für Männer attraktiv? Wie und wo arbeiten vermehrt Männer und wie verbleiben Männer im Feld? Nicht alle Fragen können über die amtliche Statistik erhoben und zulänglich beantwortet werden. Aber Aussagen wie: "Männer in Kitas sind deutlich jünger als Frauen" oder "in katholischen Kitas sind Männer sogar noch jünger als im Mittel aller Träger" können abgeleitet werden. Der KTK-Bundesverband wird sich dem Thema "Männer in Kitas" erneut über den Zugang der Fachschulen nähern.
Aufgrund von Krankheit musste der Vortrag "Ja wo laufen sie denn? Personalbindung am Beispiel einer unterrepräsentierten Gruppe: Männer" entfallen. Der Themenschwerpunkt Männer in Kitas wurde dankenswerter Weise von Frau Dr. Meiner-Teubner und Frau Wallußek aufgegriffen und statistisch beleuchtet.
Die Präsentation von Frau Dr. Christiane Meiner-Teubner und Norina Wallußek.
LÖSUNGSANSÄTZE
Anschließend folgten drei Impulsvorträge.
Zusammen ist man weniger allein. Leiten im Tandem
Eva Schmidt und Ulrike Floreth leiten ihre Kita St. Martin in Montabaur im Tandem. Die beiden Leitungen teilen sich die Führungsposition mit klar aufgeteilten Arbeitsbereichen. Dies bedarf guter Absprachen untereinander, im Team und mit dem Trägervertreter, gegenseitiges Vertrauen, sowie regelmäßiger Fort- und Weiterbildungen. Das Modell kann auch als Tandem mit einer stellvertretenden Leitung gut funktionieren. Um das Modell der Tandemleitung erfolgreich zu installieren, sollte der Träger insbesondere die Anfangsphase durch Beratung, Coaching oder Supervision engmaschig begleiten und die Rolle der stellvertretenden Leitung klar definieren.
Die Präsentation von Eva Schmidt und Ulrike Floreth "Leiten im Tandem".
Was der Träger tun kann
Jakob Fritz, Leiter Personalentwicklung und Fortbildung der FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH präsentierte deren Portfolio mit 200 Einrichtungen. Er setzt sich mit Begeisterung dafür ein, Kitas zu innovativen Orten zu machen, Ideen vor Ort zu sichern, Fachkräfte zu befähigen, die regionale Entwicklung mit einzubeziehen. Qualität ist für ihn ein entscheidender Faktor, insbesondere wenn es darum geht Fachkräfte in Einrichtungen zu halten. Es braucht klare Strukturen und Aufstiegsmöglichkeiten in diesem Bereich. Gerade mit Blick auf die akademisch ausgebildeten Fachkräfte und deren Verbleib im Feld. Die FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH arbeitet in der Organisationsstruktur mit sogenannten Koordinatoren- und Multiplikatorenstellen. Die Mitarbeitenden sollen mit ihren Fähigkeiten an der für sie geeigneten Stelle im Organigramm eingesetzt werden. Dies soll die Motivation und die Qualität langfristig fördern. Fort- und Weiterbildung auch in sogenannten E-Learning Plattformen sind in ein Punktesystem eingebettet, welches mit Honoraren hinterlegt ist. FRÖBEL arbeitet nach dem System: Publik machen, was Menschen in den Einrichtungen tun, frei nach dem Motto: "nach innen und außen strahlen".
Die Präsentation von Jakob Fritz zur FRÖBEL gGmbH.
Gemeinsam vorwärts kommen. Über Qualität verständigen - Identität bilden
Kerstin Huwer, Fachberaterin für das Dekanat Ostalb, Bereiche Ellwangen und Bopfingen erläuterte die Bedeutung von organisationaler Identifikation. Hierbei geht es um die gemeinsame organische Identifikation mit dem Arbeitsplatz. Laut Kerstin Huwer ist die Selbstevaluation als ein Instrument gelingender organisationaler Identifikation eine Lösungsidee. Selbstevaluation als Instrument gelingender organisationaler Identität, die individuelle Reflexion und die Verortung dafür im Team dienen als Grundlage. Die Einflussfaktoren von guter Führung wie beispielsweise einer klaren Vision, wertschätzende und zugewandte Haltung, dialogorientierte und klare Kommunikationsstruktur, Beteiligung der Mitarbeitenden und angemessene Verantwortungsübergabe sowie transparentes Verhalten bei dem Treffen von Entscheidungen sind ebenfalls Grundlage für eine positive Identifikation mit dem Arbeitsplatz. "Die Selbstevaluation ermöglicht einem Team ein Setting des Innehaltens, um sich seiner Potentiale bewusst zu werden und die kontinuierliche Verbesserung einer verlässlichen und hohen pädagogischen Qualität zu planen. Diese Planung erfordert eine Gesamtstrategie von der Vision bis hin zum konkreten pädagogischen Handeln."
Die Teilnehmenden diskutierten vorgestellte Lösungsansätze lebhaft.
Die Präsentation von Kerstin Huwer zur Identifikation mit dem Arbeitsplatz.
World-Café
Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit in Form eines sogenannten World-Cafés ihre Ideen, Anregungen und Fragen einzubringen. Das World-Café bestand aus drei Stationen die sich wie folgt zusammensetzten: Wissenschaft, Politik und Angebote für Träger.
Besonders stark frequentiert war die Station zur Wissenschaft. Hier wurde nochmal deutlich, wie viele offene Fragen zum Thema Personalbindung bestehen. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass sich nicht alle Fragen statistisch erheben lassen oder einer qualitativen Erhebung bedürfen. Die Wissenschaft kann nur auswerten, was durch die bundesweite Erhebung abzubilden ist. Die Station zur Politik griff aktuelle Arbeitsschwerpunkte des KTK-Bundesverbandes auf, wie beispielsweise die Etablierung bundesweiter Qualitätsstandards. Wichtig auch mit Blick auf die Mitarbeiterbindung waren Aussagen wie: "Verwaltungskräfte entlasten wirklich!" oder "Ausbildung im dualen System: Kitas als Lernort - nicht als Praktikumsbetrieb". Die dritte Station "Aufgabe der Träger" wurde nicht so stark frequentiert wie die beiden anderen Stationen. An dieser Station ging es vorrangig um die Weiterleitung von Informationen, Tagungen und den gemeinsamen Austausch von Best-Practise-Beispielen zu verschiedenen Schwerpunktthemen.
TAG 2
"Prozesse designen" - vom Sinn und Unsinn der Organisationsentwicklung"
Der Umgang mit Organisationskultur in kirchlichen Strukturen wurde am zweiten Tag der Veranstaltung in den Blick genommen. In seinem Vortrag veranschaulichte der Organisationsberater Hendrik Epe, von Ideequadrat, wie Transparenz, Verringerung von Formalisierung und Neugestaltung Bewegungen in Kita-Strukturen bringen kann und lieferte Ansätze dafür, wie Trägervertretungen und Leitungen diese Prozesse aktiv mitgestalten können. Die Leitfrage des Vortrags lautete: "Warum kündigen Mitarbeiter?". Hierfür muss die Organisationskultur in den Blick genommen werden, es geht, um das Ausprobieren neuer Strategien und darum diese an die Gegebenheiten anzupassen. Die neuen Strategien bedürfen einer verbindlichen, transparenten Überprüfung. Dies schaffte eine Kultur der Verbundenheit und diese bindet Mitarbeitende.
Die Präsentation von Hendrik Epe zur Organisationsentwicklung.
GEMEINSAM AUF DEM WEG
Kampagne/Ballhaus West
Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die Präsentation einer bundesweiten Employer Branding Kampagne des KTK-Bundesverbandes. Diese soll es Trägern ermöglichen, über ein einheitliches Stellenportal und individualisierten Social-Media-Content für den Arbeitsplatz katholische Kita zu werben. Die Präsentation der Kampagnen-Agentur Ballhaus West durch Imran Ayata verdeutlichte, wie positiv sich eine bundesweite Imagekampagne auf katholische Kitas auswirken könnte. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, noch offene Fragen zu stellen. Insbesondere die Finanzierung steht im Mittelpunkt der Diskussion. Der KTK-Bundesverband hat passgenau hierzu zwei Onlinetermine angeboten, wo es genau um diese noch ungeklärten Fragen ging. Der KTK-Bundesverband würde mit der Realisation der Kampagne im ersten Quartal 2023 beginnen und ist aktuell dabei, verbindliche Unterstützer für das Vorhaben zu binden.
Podiumsdiskussion "Semper reformanda? - Die Herausforderungen katholischer Träger im sich wandelnden Arbeitsfeld"
Abschließend wurde in einer Podiumsdiskussion der Frage nachgegangen, welchen Herausforderungen katholische Träger, in dem sich wandelnden Arbeitsfeld begegnen. Auf dem Podium trafen sich: Dr. Alexa Glawogger-Feucht (Geschäftsführerin im Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern), Clemens Frenzel (Leitung Pädagogische Dienste, stellvertretender Vorstand, Unikathe Kita-Zweckverband im Bistum Mainz) sowie Henrik Epe (Organisationsberatung, IdeeQuadrat). Das Podium wurde von Diakon Paul Nowicki moderiert.
Im ersten Teil der Diskussion ging es explizit um den Fachkräftebedarf, von welchem viele Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe aber auch andere Sektoren betroffen sind. Klar wird schnell, dass das Thema Fachkräfte die nächsten Jahre dominieren wird. Herr Nowicki legt den Fokus der Diskussion auf die neue Grundordnung und den damit verbundenen Perspektivwechsel und die mögliche Umbildung von Teams. Herr Epe weist darauf hin, dass es sein kann, dass die Identität über Glauben schwindet, sich die Diversität aber positiv auf den Arbeitsbereich auswirkt. Die Besonderheit von Caritas werden die Werte sein, die durch den Träger und die Leitung vertreten und gelebt werden, meint Frau Dr. Glawogger-Feucht. Herr Frenzel freut sich auf Veränderung und plädiert dafür diese offensiv zu nutzen. Die Imagepflege erfolgt über Kitas oder Orte, an denen Familien zusammenkommen, beispielsweise in Familienzentren. Es gilt Strukturen zu gestalten und die Wertehaltung aktiv miteinzubinden. Frau Dr. Galwogger-Feucht weist auch nochmal auf die Familienorientierung und Vielfalt hin, in Bayern sind ein Drittel der Kindertageseinrichtungen katholisch. Hier stellt sich die Frage: "Was bieten unsere Kitas?" und die Antwort ist viel; ein vielfältiges Angebot auf unterschiedlichen Ebenen. Frau Dr. Glawogger-Feucht greift das Thema Männer in Kitas auf. Sie führt aus, dass es um die Haltung und den genauen Blick geht. Herr Frenzel verweist auf die Schutzkonzepte und die Wichtigkeit von Transparenz. Es muss eine Transparenz geschaffen werden, die auch nach außen getragen wird.
Herr Nowicki lenkt das Gespräch auf das vom KTK-Bundesverband lobbyierte Bundesqualitätsgesetz. In der Diskussion wird hier nochmal deutlich, es bedarf Unterstützungsmodelle, wie Fachberatung und Evaluation, aber auch mehr Studienplätze, einen gesteuerten Quereinstieg in das Arbeitsfeld und eine gute Begleitung der Berufsanfänger. Die Praxisintegrierte Ausbildung kommt gut an, ein gutes Konzept und klare Strukturen führen dazu die ausgebildeten Fachkräfte langfristig im System zu halten. Es geht auch nicht darum, alle zu qualifizieren, es wird weiterhin Fachkräfte und Hilfskräfte geben. Frau Dr. Glawogger-Feucht macht deutlich, dass die Politik in die Verantwortung genommen werden muss. Geldmittel sind ein großer Teil der Lösung, denn Geld schafft Fachkräfte. Besonders der Hinweis, dass "Bildung auch ein Wirtschaftsfaktor" ist, verdeutlicht den Standpunkt.
Zu Ende der Diskussion wird der Auftrag an den KTK-Bundesverband erfragt. Als Schwerpunkte werden beispielsweise genannt: Austauschbörsen über Finanzen einzurichten, Qualitätsentwicklung in den Blick zu nehmen und dies nicht an Standards festzumachen. Herr Epe schließt die Podiumsdiskussion mit dem Apell: "Bildet Banden!".
In seinem Abschluss-Statement fasste Diakon Paul Nowicki die prägnantesten Statements der Veranstaltung zusammen. Diakon Paul Nowicki dankt allen, die einen Beitrag zu dieser Trägertagung geleistet haben, sowohl den externen Expert*innen als auch den Teilnehmenden.
Zu Beginn wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit einer Austauschbörse zugänglich gemacht. Die Teilnehmenden konnten sich über den Verlauf der Veranstaltung zu eigenen Themenschwerpunkten austauschen. Die Austauschbörse konnte für alle Belange der TrägervetreterInnen genutzt werden und aufzeigen, ob der Bedarf einer Austauschbörse in digitaler Form besteht. Die Börse wurde rege genutzt, allerdings blieb die große Nachfrage nach der Überführung in ein digitales Format aus.
Fotos: Jan Becht, KTK-Bundesverband