Standpunkt
Lösungsorientiert lernen
Fehler sollten nicht problematisiert, sondern als Chance zum Wachsen und Reifen betrachtet werden, betont Paul Nowicki.
Geht es Ihnen manchmal so wie mir? Da habe ich meinen Tag geplant, Termine und Vorhaben in eine gute Struktur gebracht und dann kommen all die unvorhersehbaren Situationen, in denen ich herausgefordert werde, spontan Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu suchen. Wenn ich dann abends auf den Tag zurückschaue, verlief er ganz anders als geplant und dennoch kann ich ihn zufrieden beenden.
Viele kleinere und manche größeren Probleme begegnen uns Tag für Tag. Wir entwickeln Strategien, um die Probleme zu lösen. Wir verfeinern unsere Lösungsansätze. Wir tauschen uns mit anderen aus, um uns deren Erfahrungen zunutze zu machen, und entwickeln nach und nach ein ganzes Spektrum von Handlungsoptionen, um den täglichen Herausforderungen immer besser zu begegnen.
Das ist auch der Alltag der Kita-Kinder und der pädagogischen Teams. Probleme zu lösen ist eine Grunderfahrung des Lernens, die man nicht vermeiden, sondern begleiten, reflektieren und anleiten soll. Dann ist die Freude an gelingenden Lösungen das handlungsleitende Motiv und jedes Scheitern motiviert, nach neuen Strategien zu suchen.
Doch was in der Theorie so einfach klingt, birgt einige Herausforderungen. Den Kindern ihren Freiraum zu lassen, um eigene lösungsorientierte Erfahrungen zu sammeln, kann durchaus auch für die verantwortlichen Fachkräfte herausfordernd sein. Was ist, wenn das Kind auf einmal höher klettert, als es mein eigenes Sicherheitsempfinden zulässt? Was ist, wenn sich gefährliche Situationen beispielsweise im Straßenverkehr ergeben? Was ist, wenn Eltern fragen, warum ihre Kinder in der Einrichtung Dinge tun dürfen, die zu Hause untersagt sind?
Dann holen wir die Kinder mit an den Tisch, um altersgerecht von unseren Ängsten zu reden, Regeln zu setzen und Verständnis für unterschiedliche Vorgehensweisen im häuslichen und im Kita-Alltag zu wecken. Hören wir dabei den Kindern zu. Mit ihnen können wir den größtmöglichen Freiraum zu eigenverantwortlichem lösungsorientiertem Lernen ausloten.
Um an den alltäglichen Herausforderungen wachsen zu können, ist die Kita ein besonders geeigneter Ort. Wir können unsere Einrichtungen als geschützte Lernräume gestalten, in denen über Versuch und Irrtum neue Erkenntnisse gewonnen werden können. Fehler werden nicht problematisiert, sondern als Chance zum Wachsen und Reifen betrachtet. Scheitern, umkehren und neu anfangen werden nicht negativ, sondern als Möglichkeit, sich zu entwickeln, betrachtet. Dabei sind die pädagogischen Fachkräfte professionelle Lernbegleitende, die aufmerksam beobachten, sensibel unterstützen und auf Augenhöhe mit den Kindern kommunizieren und reflektieren.
Damit unsere Kitas als Bildungseinrichtungen weiter Profil gewinnen, gilt es aber auch den Mitarbeitenden Freiräume des Lernens zu geben. Dazu gehört nicht nur eine garantierte und ausreichend bemessene Zeit zur Vor- und Nachbereitung. Es braucht auch finanziell gut ausgestattete Fortbildungsetats. Zudem müssen auch die Fachberatungen gestärkt werden, damit sie vor Ort eine unabhängige Beratung der Teams leisten können.
Kitas sind besondere Orte des Lernens. Damit das auch in Zeiten des Fachkräftemangels so bleibt, müssen die Akteure in den Trägerstrukturen mit der Politik lösungsorientiert und nicht problembehaftet in den Dialog gehen.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.