Standpunkt
Beteiligung auf Augenhöhe
Qualität beginnt, wenn das Recht auf Partizipation ernst genommen wird, betont Paul Nowicki.
Sorglos, fröhlich, frei und unbekümmert in den Tag hinein leben. Sich ganz nach dem Motto einer Pippi Langstrumpf die Welt so zu gestalten, »wie sie mir gefällt«. Wer wünscht sich nicht, dass unsere Kinder so aufwachsen können?
Wenn man von Qualität in der Kindertageseinrichtung spricht, dann treffen oft unterschiedliche Erwartungen aufeinander. Welche sichtbaren und messbaren Ergebnisse sollen durch qualitativ hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung erzielt werden? Aus Arbeitgeberperspektive wird oft erwartet, mehr naturwissenschaftliche Fertigkeiten in den sogenannten MINT-Fächern zu trainieren. Oder es wird gefordert, regelmäßige standardisierte Sprachtests durchzuführen, um Defizite schneller zu erkennen und in verbindlichen Sprachkursen beheben zu können. Andere verstehen dagegen unter Qualität die Bildungs- und Lernentwicklung, die ein Kind durchläuft. Sie lässt sich nicht unmittelbar in Ergebnissen messen, sondern nur als Lern- und Entwicklungsprozess beschreiben und dokumentieren.
Doch Qualität ist zuerst die erlebte und erfahrene Wirklichkeit der Kinder, die eine Kita besuchen. Es ist deshalb nicht nur sinnvoll, sie in die Qualitätsentwicklung der Einrichtung einzubinden, sondern sie haben, wenn man die Artikel der UN-Kinderrechtskonvention ernst nimmt, sogar ein Recht darauf. Insbesondere mit dem Recht auf Beteiligung sollen die Kinder Selbstwirksamkeit erfahren, soll die soziale Entwicklung gefördert und die Lebensqualität gesteigert werden.
Im Kinderperspektivenansatz geht es nicht darum, dass Kinder in allem die volle Entscheidungsgewalt haben. Es soll vielmehr eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen Erwachsenen und Kindern geschaffen werden, in der die Perspektiven der Kinder berücksichtigt und in angemessener Weise gefördert werden. Beim Kinderperspektivenansatz geht es um Partizipation, bei der die Kinder die Wirksamkeit ihrer Beteiligung an Entscheidungsprozessen erfahren. Es geht um die Anerkennung der Individualität, die als Ressource wertgeschätzt und entwickelt werden muss. Eine respektvolle Be- ziehung schafft Raum für Empathie, Vertrauen und Geborgenheit. Freiräume für Spiel und Selbstentfaltung bieten einen Rahmen für Fantasie und Kreativität. Gemeinschaft positiv und Zusammenarbeit konstruktiv zu erleben, lehrt Kinder nicht nur miteinander zu interagieren, sondern Konflikte zu lösen und Verantwortung füreinander zu übernehmen. Die Wertschätzung von Vielfalt bindet die verschiedenen familiären Hintergründe, aber auch die unterschiedlichen körperlichen und geistigen Voraussetzungen in einen inklusiven, lebensbejahenden Kontext ein.
Auf dem Weg zu einem bundesweiten Qualitätsentwicklungsgesetz und dessen Entfaltung über die Bundesländer und Kommunen bis in die Einrichtungen hinein ist deshalb der Einbezug des Kinderperspektivenansatzes dringend erforderlich. Es geht dabei nicht darum, sorglos die Welt so zu gestalten, »wie sie mir gefällt«. Es geht aber auch nicht darum, die Kinder mit starker Hand möglichst früh auf die Notwendigkeiten einer Erwachsenenwelt vorzubereiten.
Eine respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe von Anfang an wird jedes defizitorientierte Bildungstraining übertreffen und unsere Kinder auf eine Welt, in der sie Verantwortung übernehmen, vorbereiten.
Die Welt aus Kinderperspektive wahrzunehmen, gibt sicherlich auch unserem Blick auf die Welt eine neue Qualität.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.