Standpunkt
Wir sind bunter, als viele wahrhaben wollen
Politische Talkrunden, in denen nicht polarisiert und gestritten wird, sind langweilig. Je turbulenter es darin zugeht, umso interessanter wird's. Wenn am Ende aber Unwahrheiten hängen bleiben, die die öffentliche Meinung prägen, dann ist Schluss mit lustig, dann haben es die Verantwortlichen zu bunt getrieben, meint Frank Jansen.
Am 11. März 2013 wurde im Ersten Deutschen Fernsehen die Talkrunde "Hart aber fair" ausgestrahlt, moderiert von Frank Plasberg. Unter der Schlagzeile "Viel Rauch um was eigentlich - ist die Kirche noch von dieser Welt?" ging es tatsächlich hart zu. Das Attribut "fair" muss man bezogen auf diese Ausgabe der Sendung aber eher durch das Adjektiv "dumpf" ersetzen.
Vor laufender Kamera wurde sinngemäß die Behauptung aufgestellt, kirchliche Kindertageseinrichtungen seien mit geschlossenen Milieus vergleichbar. Obwohl zu einem großen Teil öffentlich finanziert, würden ungetaufte Kinder oder Kinder mit einem nicht-christlichen Religionshintergrund vom Besuch einer katholischen oder evangelischen Kita ausgegrenzt. Und dies nicht nur in Ausnahmefällen, sondern durch die Bank weg. Plasberg gab am Beispiel einer evangelischen Kita zum Besten, was viele Eltern scheinbar erleben: Bei zu wenig Kita-Plätzen erfolge die Auswahl nach einem Punktesystem. Einen Platz würden in der Regel die Kinder ergattern, die drei relevante Aufnahmekriterien erfüllen: Beide Elternteile sind evangelisch, das Kind ist entsprechend getauft und die Familie lebt in der Gemeinde. Die gleichen Vorwürfe wurden gegenüber katholischen Kitas in die Runde geworfen. Trotz der vehementen Versuche von Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, und des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke, diese Behauptung zu entkräften, blieb am Ende der Eindruck, als wäre das tatsächlich so.
Das Gegenteil ist aber der Fall: Über 27 Prozent der Kinder in katholischen Kitas haben einen Migrationshintergrund. Das heißt nun nicht, dass alle diese Kinder ungetauft sind oder einer nicht-christlichen Religion angehören. Aber immerhin gibt es Regionen, in denen über 50 Prozent der Kinder in katholischen Kitas muslimischen Glaubens sind. In evangelischen Kitas sieht das nicht anders aus. Das ist gängige Praxis. Und die damit verbundene Offenheit entspricht dem Profil unserer Einrichtungen.
"Über 27 Prozent der Kinder in katholischen Kitas haben einen Migrationshintergrund."
Im Bischofswort "Welt entdecken, Glauben leben - zum Bildungs- und Erziehungsauftrag katholischer Kindertageseinrichtungen" wird dieses "Offen-Sein" für alle Kinder unterstrichen. Die Bischöfe sind davon überzeugt, dass es für das Zusammenleben in unserer pluralistischen Gesellschaft unabdingbar ist, dass Kinder schon im Vorschulalter lernen, religiöse und kulturelle Unterschiede wahrzunehmen, und dass unsere Kitas hier einen wertvollen Beitrag leisten. Ähnlich deutlich und unmissverständlich wird dieser Grundsatz im KTK-Gütesiegel hervorgehoben: "In katholischen Kindertageseinrichtungen werden Kinder anderer Konfessionen, Religionsgemeinschaften und Kinder, die ohne lebendigen Bezug zum Glauben aufwachsen, aufgenommen".
All diese Äußerungen sind nicht irgendwelche zu Papier gebrachten Willenserklärungen, sondern gelebte Praxis. Ich jedenfalls kenne keine katholische Kita, in der das anders ist. Wäre das aber so wie behauptet, dann entspräche diese Kita nicht dem Gütezeichen "katholisch".
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.