Standpunkt
Ohne Macht sind wir ohnmächtig …
Stellen wir uns einfach folgendes Szenario vor: Man überträgt uns die Macht, die Kita-Politik in Deutschland neu zu erfinden. Wir werden aufgefordert, einen Bleistift in die Hand zu nehmen und ein System zu entwickeln, das für unsere bundesweit 54 000 Kindertageseinrichtungen den Rahmen steckt. Käme dabei jemand ernsthaft auf die Idee, die Verantwortung für das, was in Kitas läuft, ganz und gar auf 16 Länderministerien mit ebenso vielen Ausführungsgesetzen zu verteilen? Wohl kaum. Falls doch, dann herzlich willkommen im Club der Verklärten.
Nun ist es recht billig, den Bildungsföderalismus grundsätzlich zu verteufeln. Darum geht es auch nicht. Kita-Politik ausschließlich zentralistisch zu steuern, würde zu kurz greifen und regionale Besonderheiten unberücksichtigt lassen. So beispielsweise bei den Bildungsplänen. Hier sind in den zurückliegenden Jahren länderspezifische und regional-kulturelle Expertisen von Fachleuten vor Ort eingeflossen, auf die angesichts eines umfassenden Bildungsverständnisses nicht verzichtet werden kann. Eindeutiger zu regeln ist aber die Frage der Verbindlichkeit der Bildungspläne. Verbindlich sind diese erst dann, wenn deren Umsetzung durch externe Evaluationen geprüft wird und pädagogische Fachkräfte im Sinne einer Unterstützungsleistung konkrete Hinweise dahingehend erhalten, an welchen Stellen sie ihre Arbeit wie verbessern müssen. Eine solche Strategie gibt es bisher nur in Berlin.
Der deutsche Föderalismus wird von vielen deswegen stets gelobt, weil er den Wettbewerb zwischen den Ländern fördert. Das klingt erst einmal überzeugend, wenn man in ökonomischen Begriffen denkt. Bei den Rahmenbedingungen für pädagogische Fachkräfte haut dieser anvisierte Wetteifer aber nicht ganz hin. Hier gleicht Deutschland einem Flickenteppich, die strukturellen Standards in unseren Kitas klaffen von Bundesland zu Bundesland weit auseinander. An dieser Stelle gibt es wahrlich keinen Grund, das Kita-System in Deutschland so zu organisieren, wie es derzeit organisiert ist. Seit langem setzt sich der KTK-Bundesverband gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und dem Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt für ein Bundesqualitätsgesetz ein, in dem strukturelle Voraussetzungen für die Kita-Arbeit bundesweit verbindlich geregelt werden. Eine bessere Fachkraft-Kind-Relation, Leitungsfreistellung, ausreichend Zeit für die mittelbare pädagogische Arbeit, das sind einige der Eckpunkte, die wir in einem Gesetz länderübergreifend geregelt haben möchten. Ob was draus wird, bleibt abzuwarten. Die Weichen hierfür sind jedenfalls gestellt und am Ende wird es darauf ankommen, ob wir uns gegebenen Zuständen ohnmächtig unterwerfen.
Politische Ordnungsverhältnisse sind immer auch Machtverhältnisse. Und diese setzen sich aus der Gesamtheit der politischen Diskurse, Institutionen und Initiativen zusammen. Zu unserem politischen System gehört es, dass Politik nicht ohne Gegenpolitik auskommt, und Macht nicht ohne Gegenmacht. Gerade im Kita-Bereich brauchen wir zur Verbesserung der strukturellen Voraussetzungen mehr Gegenpolitik in den Kommunen, in den Ländern und auf Bundesebene. Und da sind nicht nur die Verbände mit ihrer politischen Lobbyarbeit gefragt, sondern auch Sie in den Kitas.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.
»Gerade im Kita-Bereich brauchen wir zur Verbesserung der strukturellen Voraussetzungen mehr Gegenpolitik in den Kommunen, in den Ländern und auf Bundesebene.«