Standpunkt
Mut zu Qualität in schwierigen Zeiten …
… fordert Paul Nowicki angesichts der aktuellen Situation in den Kitas.
Kinder gestalten die Welt! In unseren Kitas tun sie dies mit Menschen an ihrer Seite, die ihnen ein behütetes Aufwachsen ermöglichen. Doch die Gesellschaft ist dynamisch und wandelt sich schnell. Die globale Vernetzung und die voranschreitende Digitalisierung erfordern neue Kompetenzen. Um sich den wandelnden Herausforderungen zu stellen, wird ein selbstbestimmtes Handeln und die daraus resultierende Erfahrung von Selbstwirksamkeit benötigt – und das von Anfang an. Nur so wächst man in ein verantwortliches Handeln hinein. Kinder anzuleiten, sich selbstbestimmt auszuprobieren, und es zuzulassen, wenn sie Risiken eingehen, er fordert Mut von den sie begleitenden Erwachsenen. Dabei geht es nicht darum, Kinder zu gefährden oder ihnen falschen Übermut zu vermitteln – es geht vielmehr darum, sie behutsam und gezielt zu fordern. Erfolge wie Scheitern können so als Teil eines positiven Prozesses erlebt werden, durch den man, wenn immer nötig, seine Grenzen erfahren und überwinden lernt. Doch nur zu oft sind unsere Bildungssysteme – auch in den Kitas – noch in alten Strukturen gefangen. Sicherheit und Schutz haben Vorrang. Mut und Wagnis können nicht von heute auf morgen gelernt werden. Es ist ein Prozess, dem sich auch die Erzieher*innen stellen müssen und der im Dialog mit dem Sicherheitsbedürfnis der Eltern entwickelt werden muss. Aber die aktuelle Situation in den Einrichtungen ist häufig von Personalmangel und Überlastung geprägt. Um zuverlässig möglichst umfangreiche Betreuungszeiten anzubieten sind Träger, Leitung und Team meist bereit, Team und Besprechungszeiten zu kürzen und auf Fortbildungen zu verzichten. Doch um Kinder fit für die Zukunft zu machen, braucht es auch Zeit für die Fachkräfte. Zeit, um das eigene Handeln und die eigene Haltung zu reflektieren. Zeit im Team, um das pädagogische Handeln in der Einrichtung weiterzuentwickeln. Zeit für Fortbildungen, um den eigenen Horizont zu erweitern und sich selbst für die Herausforderungen der Zukunft zu stärken. Gerade in herausfordernden Zeiten braucht es eine gute Balance zwischen den verlässlichen Betreu ungszeiten und den notwendigen Bildungszeiten für das Team. Träger und Leitungen ist der Rücken zu stärken, dass sie nicht das eine gegen das andere aufrechnen, sondern mutig in Aushandlungsprozesse gehen und dabei die Kinder, Eltern und das Team mitnehmen. Denn Bildung, Betreuung und Erziehung ist eine Trias, die sich nicht aufteilen lässt. Doch neben der konkreten Situation vor Ort muss sich auch die Politik in die Pflicht nehmen lassen. Die notwendigen Personalschlüssel müssen nicht nur die Zeit mit den Kindern, sondern auch die Reflexions und Teamzeiten sowie Fortbildungen berücksichtigen. Gerade in Zeiten von Personalmangel und Überlastung ist es notwendig, dass das Ziel, eine qualitativ hochwertige KitaSituation sicherzustellen, den Weg bestimmt, sonst kann sich manche Erleichterung versprechende Abkürzung als Holzweg erweisen. Wagnis als Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen ist kein Modetrend oder eine Utopie. Es ist eine Notwendigkeit und eine Chance. Es ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft. Es ist ein Beitrag zur Demokratiebildung und zur Nachhaltigkeit. Es ist ein Plädoyer für mehr Mut in der Pädagogik und mehr Mut bei den Verantwortlichen, diesem Bildungsauftrag auch den notwendigen Raum zu geben.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.