Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
»Wille ist Katzendreck«, »Wollen hat Urlaub«, »Wille ist tot«: Kennen Sie solche oder ähnliche Sprüche aus Ihrer Kindheit? Dann sind Sie, wie es unsere Autorin Nicole Wilhelm formulieren würde, in der Gehorsamskultur aufgewachsen. Ihrer These nach findet derzeit ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel statt, ein Paradigmenwechsel vom Gehorsam zum Verantwortungsbewusstsein. Für sie
ist das der nächste logische und notwendige Schritt in der individuellen und sozialen Entwicklung des Menschen. Was das für die Kita-Praxis bedeutet, wie sich Fachkräfte, die selbst in der Gehorsamskultur aufgewachsen sind, von alten Mustern lösen können und wie sich die Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern verändert, wenn wir den Willen der Kinder ernst nehmen, lesen Sie in ihrem Beitrag ab Seite 13.
Denn genau wie wir haben Kinder das Recht auf einen eigenen Willen. Laut Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention haben sie das Recht, ihre Meinung zu äußern und dass dieser Meinung »gebührendes Gewicht« verliehen wird. Sie haben ein Recht darauf, dass ihr Wille geachtet wird, dass wir ihnen zuhören, dass wir ihre Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Ansichten ernst nehmen. Wie es gelingt, dafür in Kindertageseinrichtungen eine Kultur der Beteiligung zu schaffen, zeigt Marta Skrzypczak ab Seite 8. Sie stellt das Modell der Expertin
für Kinderrechte Laura Lundy vor ‒ ein Instrument, mit dem sichergestellt werden kann, dass der Wille der Kinder in Kitas anerkannt und umgesetzt wird.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihre
Irene Weber, Chefredakteurin