Standpunkt
Die Stimme der Kinder hören …
… und wirksam werden lassen ist nicht nur wünschenswert, sondern unerlässlich, meint Paul Nowicki.
Unsere Kinder haben ihren eigenen Kopf. Sie wissen ganz genau, was sie wollen und was nicht. Und sie artikulieren das auch - manchmal nonverbal und leise, manchmal laut und widerborstig. Sie zeigen damit, dass sie von Anfang ihres Lebens an eine Persönlichkeit sind, die sich ihrer selbst bewusst ist. Sie haben ein Gespür dafür, was ihnen guttut und was sie brauchen. Sie haben eine Idee, wie es weitergeht und was sie lernen und bewirken können. Sie interagieren in ihr soziales Netzwerk hinein und entwickeln so ihre Personalität.
Das Dilemma liegt darin, dass sie dies in einer Welt der Erwachsenen verwirklichen. Erwachsene sind nicht nur größer, stärker und lauter. Sie sind auch kognitiv weiter und können dies überzeugend formulieren. Sie sehen die Risiken und Gefahren und tragen letztlich die Verantwortung. Schnell kann es so geschehen, dass der Kinderwille in den Hintergrund tritt. Gut, wenn dann Kinder artikulieren: »Und ich will es trotzdem!« Doch wie oft lernen Kinder, dass ihr Wille nicht zählt, dass sie nicht ernst genommen werden und die Erwachsenen, meist in bester Absicht, über ihren Willen hinweg entscheiden?
Und dann kommen solche Willensäußerungen meist zum scheinbar falschen Zeitpunkt, wirken unpassend, schwierig, unangemessen, respektlos, unsinnig oder sind tatsächlich gefährlich, ungesund und nicht umsetzbar. Doch sich in diesen Situationen Zeit zu nehmen und Geduld zu haben, stärkt die Kinder und gibt ihnen Selbstvertrauen. Sich von den Kindern hin einnehmen zu lassen in den Anlass, die Idee, das Anliegen, das hinter dieser Situation oder Forderung steht, gibt die Chance, aus der Situation einen gemeinsamen Lern und Entwicklungsweg zu gestalten. Kinder werden zu Experten ihres Lernens und die Erwachsenen zu Vertrauten, die sie begleiten und anleiten können. Und als Erwachsene dürfen wir entdecken, dass hinter den scheinbar kleinen Fragen oft große Themen stehen.
Kinder haben ihren Willen und das ist gut! Das gilt es nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu fördern, ernst zu nehmen und wirksam werden zu lassen.
Schon längst wissen wir, dass alles, was wir an Zeit, Geduld, Betreuung, Bildung, Erziehung und auch Geld in die frühe Kindheit einzahlen, eine hohe Rendite erbringt - schon jetzt und erst recht für die Zukunft! Gleiches gilt auch für die Stimme, mit der die Kinder ihren Willen artikulieren. Es sollte nicht nur in einzelnen Situationen, sondern grundsätzlich selbstverständlich sein, dass Kinder beteiligt werden. Dass ihr Wille und ihre Stimme zählt. Wo immer es geht, sollten sie selbst eingebunden sein, und wo es nicht möglich ist, können Eltern oder andere Vertrauenspersonen als Anwälte der Anliegen ihrer Kinder die Stimme einbringen.
Lassen Sie uns darüber nach denken, wie sich unsere Welt verändern würde, wenn Kinder in Institutionen, in Politik, Kirche und Gesellschaft eine Stimme hätten, die mit gleichem Gewicht zählt. Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, sondern auch schon unsere Gegenwart. Als Persönlichkeiten mit eigenem Willen erwerben sie schon heute Haltungen, die in den menschengemachten Problemen Lösungen aufzeigen. Lassen wir die Stimme der Kinder wirksam werden und gehen wir schon jetzt mit ihnen unsere Zukunft an.
Paul Nowicki
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.