Standpunkt
Runter vom hohen Ross!
Von angesäuert bis entsetzt reichten im Juni die Reaktionen in der Fachszene auf den Vorschlag von Ursula von der Leyen, Arbeitslosen die Möglichkeit zu eröffnen, in Kindertageseinrichtungen zu arbeiten. Als Kristina Schröder dann die Schleckerfrauen ins Spiel brachte, war der Aufschrei in den Medien mehr als groß: "Diese Vorstöße beleidigen Erzieherinnen und Erzieher", "Offensichtlich gehen Politiker davon aus, Kita könne jede und jeder", "Qualitätsstandards werden gesenkt, das Qualifikationsniveau nach unten geschraubt" - so war es zu hören und zu lesen.
Eine schlechte, wenn nicht gar skandalöse Idee der beiden Politikerinnen, um das Problem mit dem Fachkräftebedarf zu lösen? Auf keinen Fall. Weder die amtierende Arbeitsministerin, noch unsere Familienministerin sind bei ihrem Vorstoß davon ausgegangen, Arbeitslose unqualifiziert in die Kindertageseinrichtungen zu schicken. So gesehen sind vielmehr die Reaktionen auf diesen Vorstoß nicht gerade vorbildlich. Was es da zu hören gab, ist schlichtweg unverschämt, diffamierend und wenig respektvoll gegenüber Menschen, die beruflich keine Perspektive haben.
Angemessener wäre es, die Diskussion über Hartz-IV-Bezieher und Schleckerfrauen respektvoll, differenziert und qualitätsorientiert zu führen. Respektvoll gegenüber Arbeitslosen, denen wir nicht grundsätzlich die Fähigkeit absprechen können, mit Kindern gut und einfühlsam zu arbeiten. Differenziert, wenn es darum geht, kluge Lösungen für alternative Qualifizierungsformen zu finden. Qualitätsorientiert in dem Sinne, keine Abstriche bei den Standards in unseren Kindertageseinrichtungen zu akzeptieren. Es geht in der Debatte um die berufliche Weiterentwicklung von arbeitslosen Menschen und nicht darum, billige und pädagogisch nicht ausgebildete Lückenbüßer einzusetzen.
"Multiprofessionelle Teams, in denen auch Menschen arbeiten, die einen anderen Erstberuf erlernt haben, können eine Bereicherung für den Kita-Alltag sein."
Multiprofessionelle Teams, in denen auch Menschen arbeiten, die einen anderen Erstberuf erlernt haben, können eine Bereicherung für den Kita-Alltag sein. Dies setzt voraus, dass wir Eignungskriterien definieren, die zu erfüllen sind. Dazu gehören beispielsweise Kompetenzen wie die Fähigkeit, einfühlsam zu sein, geduldig, zuverlässig, belastbar, kommunikativ und kreativ, ebenso wie im Team arbeiten zu können und sich wertschätzend anderen gegenüber zu verhalten. Auf diesen Begabungen aufbauend brauchen wir flächendeckende Qualifizierungsangebote, bei denen Vorkenntnisse angerechnet werden und die ein Nebeneinander von Schule und Praxis ermöglichen.
Alles in allem geht es aber nicht nur um die Frage, wie wir arbeitslose Frauen und Männer weiterqualifizieren können. Es geht auch darum, wie wir die beruflichen Voraussetzungen für Erzieherinnen wertschätzend gestalten. Befristete Arbeitsverträge sind ebenso wenig respektvoll wie zu lange Bewerbungsverfahren oder die vorhandene Kluft zwischen der Bedeutung von Kindertageseinrichtungen und den herrschenden Rahmenbedingungen. Damit sind nicht nur Gruppengrößen oder zu geringe Verfügungszeiten gemeint. Es fehlt auch an gesundheitsfördernden Konzepten, an Ideen für einen altersgerechten Arbeitsplatz "Kindertageseinrichtung". Kurz gesagt: Allesamt Voraussetzungen, die aus Respekt vor den Leistungen von Erzieherinnen formuliert werden, die diese Wertschätzung auch erwarten. Arbeitslose Menschen übrigens auch.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) -
Bundesverband e. V.