Standpunkt
Frank Jansen sieht katholische Kitas in der Pflicht, Flüchtlingskinder aus der Isolation der Gemeinschaftsuntekünfte herauszuholen.
"Unsere Verantwortung ist größer als das, was wir tun." Vollkommen richtig liegt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit dieser Feststellung, die er Ende Mai 2014 bei seinem Besuch im Libanon angesichts der Situation der syrischen Flüchtlinge äußerte. Umso unbegreiflicher ist es, warum sich die Politiker sowohl auf Bundesebene als auch in den Ländern und Kommunen nach wie vor so schwer tun, ohne langes Zögern mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als dies derzeit geschieht. Da werden Zahlenspiele öffentlich ausgetragen, die angesichts der Not der Menschen schlichtweg lächerlich wirken und denen kleinkarierte Maßstäbe zugrundegelegt werden.
Zwischen 10000 und 15000 Flüchtlinge mehr sollen aufgenommen werden. Gemessen an der Not der syrischen Zivilbevölkerung ist dies ein erschütterndes politisches Bekenntnis, vor allem mit Blick auf die betroffenen Kinder. Diese leiden unter den Erfahrungen des Krieges, der Verfolgung und der Flucht. Ob es gelingt, dass diese Kinder ihre traumatischen Erfahrungen verarbeiten können, ist nicht nur abhängig davon, dass wir in Deutschland mehr Menschen aus Krisengebieten aufnehmen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch, unter welchen Lebensbedingungen sie bei uns aufwachsen.
Alleine schon aus unserem christlichen Selbstverständnis heraus ist es unabdingbar, dass wir uns in unseren Kindertageseinrichtungen für eben diese Kinder engagieren. Dass wir sie aus der Isolation der Gemeinschaftsunterkünfte herausholen und Lebensbedingungen für sie schaffen, durch die sie mit ihrer Trauer und mit ihren Ängsten nicht mehr alleine gelassen werden.
"Wir brauchen nicht über Kinderrechte zu sprechen, wenn wir uns nicht für Kinder engagieren, die als Flüchtlinge in unserem Land leben."
Bei jeder gesellschaftlichen Herausforderung Kindertageseinrichtungen in die Pflicht zu nehmen, löst zweifelsohne ein beklemmendes Gefühl aus, wenn nicht gar ein schlechtes Gewissen. Von allen Seiten werden pädagogische Fachkräfte und ihre Träger mit Anforderungen konfrontiert, die erfüllt werden sollen. Und dies, ohne dass sich etwas an den Arbeitsbedingungen verändert. Die Situation von Flüchtlingskindern aber zwingt uns dazu, gerade in katholischen Kindertageseinrichtungen angemessen und ohne zeitliche Verzögerung zu reagieren.
Wir brauchen nicht über Kinderrechte zu sprechen, wenn wir uns nicht für Kinder engagieren, die als Flüchtlinge in unserem Land leben und damit häufig die stärkste Form der Ausgrenzung erleiden müssen. "Kinderrechte sind die Rechte aller Kinder." Diese gelten ganz besonders für Kinder, die außerhalb ihres Herkunftslandes, ihrer Sprachgruppe und ihrer Kultur aufwachsen. Zwingend erforderlich ist es deshalb, den Blick beim Ausbau des Angebots der Kindertagesbetreuung nicht nur auf die Altersgruppe der unter Dreijährigen zu richten. Wir benötigen auch einen sensiblen Blick für jene Kinder, die durch Krieg, Elend und Not traumatisiert bei uns leben. Sozialpädagogische Betreuungsangebote und therapeutische Leistungen in Gemeinschaftsunterkünften sind kein Ersatz für das inklusive Angebot unserer Kindertageseinrichtungen. Kinder aus Flüchtlingsfamilien brauchen unser Angebot der Bildung, Betreuung und Erziehung. Und dies nicht nur kurzfristig, sondern mit einer auf Dauer angelegten Perspektive.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.