Standpunkt
Von wegen grenzenlos kreativ …
Unter der Schlagzeile „Der Kita-Betrug“ geriet Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig Ende Juli 2014 im Politmagazin „Der Spiegel“ unter Beschuss. Das Resümee der Berichterstattung: In Deutschland haben wir einen rasanten Ausbau der Kindertagesbetreuung hinter uns, die Qualität aber ist auf der Strecke geblieben. Kritisiert wird, dass die Sozialdemokratin Schwesig hinter ihre eigenen Erwartungen zurückge-fallen sei und in einem Gesetzentwurf zum qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung lediglich Investitionen in den Kita-Ausbau in den Blick nimmt. Ein Bundesqualitätsgesetz, in dem die Rahmenbedingungen pädagogischer Fachkräfte länderübergreifend und verbindlich geregelt sind, sei für die Ministerin keine Zielmarke mehr.
So weit, so gut – oder auch nicht? Fakt ist, dass weitere Investitionen in den Ausbau der Kindertagesbetreuung fließen sollen. Inwieweit die hierfür vom Bund veran-schlagten 550 Millionen Euro ausreichen, ist fraglich. Das aber ist im Moment nicht das brennende Thema. Wie steht es tatsächlich um die Zielmarke „Bundesqualitätsgesetz“?
Zunächst ist festzuhalten, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten die Idee eines solchen Gesetzes mit länderübergreifend verbindlichen Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen nie ein Thema war. Die föderale Struktur unserer Republik und die daraus resultierende und bis vor kurzem scheinbar noch unantastbare Länderhoheit für den Kita-Bereich hat eine solche Vorstellung erst gar nicht möglich gemacht. Mittlerweile aber ist die Idee eines Bundesqualitätsgesetzes in aller Munde.
"Ausdruck grenzenloser Kreativität ist es, wie die Kolleginnen und Kollegen es unter den gegebenen Rahmenbedingungen schaffen, verlässliche und kindgemäße Angebote bereitzuhalten."
So gesehen sind wir in dieser Frage schon einmal einen großen Schritt weiter. Das Bewusstsein, dass eine hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern nicht abhängig sein darf von regionalen Voraussetzungen, ist in Deutschland gewachsen. Und niemand zweifelt heute mehr daran, dass qualitativ hochwertige Angebote von Kindertageseinrichtungen einen entscheidenden Einfluss auf die Bildungsbiografie von Kindern haben, während die Arbeitsbedingungen von pädagogischen Fachkräften in keinem Verhältnis zu dieser Bedeutung stehen. Dass deswegen die Qualität in Kindertageseinrichtungen auf der Strecke geblieben sein soll, so wie es Ann-Katrin Müller im „Spiegel“ suggeriert, ist schlichtweg journalistische Effekthascherei.
Mit großem Engagement stellen Erzieherinnen und Erzieher tagtäglich eine verlässliche und qualitätsvolle Bildung, Erziehung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen sicher. Ausdruck grenzenloser Kreativität ist es, wie die Kolleginnen und Kollegen es unter den gegebenen Rahmenbedingungen schaffen, verlässliche und kindgemäße Angebote bereitzuhalten. Auf Dauer kann das aber nicht durchgehalten werden.
Und damit sind wir wieder bei Manuela Schwesig: Für Anfang November hat die Ministerin einen Kita-Gipfel angekündigt. Gemeinsam mit Ländern, Kommunen, Gewerkschaften und Trägern soll ein Austausch zu Fragen der Strukturqualität in der Kindertagesbetreuung stattfinden. Als KTK-Bundesverband sind wir gut darauf vorbereitet, dass dieser Austausch am Ende dann vielleicht doch noch in einen klaren politischen Willen für ein Bundesqualitätsgesetz mündet. Will heißen: Wenn die Kreativität unserer pädagogischen Fachkräfte verständlicherweise irgendwann an ihre Grenzen stößt, ist ein doppeltes Maß an politischer Fantasie unverzichtbar.
Frank Jansen
Geschäftsführer des Verbands Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.